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Ab Beginn der Reise erstelle ich jeden Tag einen Tagesbericht samt Fotos, allerdings, nur wenn ich W-Lan zur Verfügung habe. Das Tagebuch beginnt zuunterst auf dieser Seite, der neueste Eintrag ist zuoberst. 
 

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 Tagebuch Russland

Zusammenfassung Russland-Reise

Velodistanz ab Start in Wetzikon/St.Petersburg (RU) am Mo, 28.5.2018 bis Vladivostok, am Mo, 20.8.2018: 10‘014 Velo-km in 12 Wochen durch 7 Zeitzonen. Mittlere TagesDistanz pro aktivem VeloTag 167 km. Grösste Tagesdistanz 239 km. 

Osteuropäische Ebene

St.Petersburg-Moskau-Kasan-Ufa

Durch die Osteuropäische Ebene, bei Twer erstmals über die Wolga, über Moskau nach Kasan in Tatarstan (sehr imposant) an der Wolga, dem längsten Fluss Europas, die ins Kaspische Meer mündet. Weitere Flüsse sind der Don(Assowsches Meer, nördliche Verlängerung des Schwarzen Meeres) und Dniepr (durch die Ukraine ins Schwarze Meer). 

Ural

Ufa bis Chelyabinsk

Durch den Ural, höchstensknapp 2000 m hoch aber 2500 km lang von Nord bis Süd, die Grenze zwischen Europa und Asien. Mein höchster Pass war lediglich 800 müM. 

Westsibirische TiefEbene

Chelyabinsk, Korgan, Petropavlovsk (Kas), Omsk, Novosibirsk bis Krasnoyarsk

Durch die Westsibirische TiefEbene mit einem Abstecher nach Kasachstan. Über die Flüsse Irtysh (Omsk) und Ob (Novosibirsk). Ab Novosibirsk langwellige Landschaft. 

Mittelsibirisches Bergland

Krasnoyarsk, Irkutsk, BaikalSee bis Ulan Ude

Durch das Mittelsibirisches Bergland mit dem grössten Fluss Russlands, dem Yenissei (Krasnoyarsk), dem Angara (Irkutsk, Abfluss des Baikalsees in den Yenissei), entlang dem BaikalSee in den fernen Osten Russlands. 

Ostsibirisches Bergland

Ulan Ude, Chita, Belogorsk, Kabarovsk bis Vladiwostok

Durch das Ostsibirisches Bergland, dem wilden Osten Russlands, grösstenteils in einiger Entfernung zum Amur, resp. der chinesischen Grenze. Ab Kabarovsk nach Süden entlang dem Ussuri, ebenfalls identisch mit der chinesischen Grenze. Nur ein HügelLand zwar, aber mit kumulierten Aufstiegen bis über 3000 HM/Tag. In Bezug auf Einsamkeit, Abgeschiedenheit und Mangel an Unterkünften beinahe mein Waterloo. 

Gedanken

Ich bin mittlerweile ein erfahrener WeltenBummler und auch meine bisherigen DurchschnittsStrecken mit 125 km/Tag waren eigentlich recht respektabel; dass jemand allerdings einen Schnitt von 167 km/Tag hinkriegt und das über 10'000 km in 12 Wochen war für mich völlig unvorstellbar. Aber nun bin ich am Ende meiner Reise mit genau diesen 167km/Tag, wobei die längsten TagesStrecken mit 235 und 239 km weitere Unmöglichkeiten darstellen. Und von diesen Werten habe nicht einfach von einem Spinner gehört, ich habe diese Werte selber erfahren, mit dem Velo, soeben. 

Man könnte jetzt meinen, die körperlichen Belastungen seien mit bis zu 16 Std Nettofahrzeit/Tag immens gewesen. Doch das waren sie eigentlich gar nicht. Viel grösser waren die mentalen Belastungen wegen fehlender Unterkünfte. Diese waren der Grund für die überlangen FahrDistanzen. Vor allem auf den ca. 2200 km von Chita bis Kabarovsk nahm das Spekulieren und das Bangen, ob wohl noch eine Tankstelle mit ZimmerVermietung auftaucht (die einzigen Häuser, die überhaupt existierten, sonst gab es keine Hütte) kein Ende und führten mich fast jeden Tag an den Anschlag. Es gab während 2000 km auch fast keinen Verkehr mehr, ich sehnte mich geradezu nach einem Lastwagen, da war wenigstens jemand drin!!! Die Einsamkeit und die Abgeschiedenheit waren schon fast total. 

Natürlich, ich hatte ja noch ein Zelt. Nur, Zelten stellte für mich in Sibirien ein HorrorSzenario dar. Ich fuhr über weiteste Strecken durch dichten Wald - keine Chance, ein Zelt aufzustellen. Ich fuhr über weiteste Strecken durch Moore - keine Chance, ein Zelt aufzustellen. Ich fuhr über weiteste Strecken durch stachelige Heide. Fast nicht möglich, ein Zelt aufzustellen. 100‘000 Mücken hat es neben der Strasse ausserdem überall. Zelten kann man nur an einem Fluss, sofern man denn zu diesem runterkommt. Im Normalfall ist das unmöglich. Zelten kann romantisch finden wer will, ich unternehme alles, es nicht zu müssen, incl. 150 km weiterfahren.

Eigentlich habe ich mit dieser Reise wieder einmal tüchtig den Kopf angeschlagen, dh, ich bin an der Decke angestossen. Und die Decke ist meine Grenze. Allerdings, nur wenn man manchmal den Kopf anschlägt erkennt man seine (Leistungs-)Grenzen. Wenn man nicht weiss, wo die Decke ist — macht man sich immer kleiner und kleiner. Ich gedenke, weiterhin aufrecht und nur sehr knapp unter der Decke weiter zu marschieren, weiter zu leben. So etwas Verrücktes wie die 10’000 km-Russlandreise resp. etwas Ähnliches werde ich aber nicht mehr unternehmen.

Aber eben, wie sagte doch schon mein Papa selig: Urs, bei vielen Dingen ist es nicht so wichtig, dass du sie machst, sondern dass du sie gemacht hast. Eine wahre Erkenntnis. Mein überaus hartes RusslandErlebnis kann mir niemand mehr wegnehmen. Und die Erinnerung daran hält viel, viel länger an, als die Reise gedauert hat, sie hält bis ans Ende meines Lebens.

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Mo, 20.8.2018. Heimflug von Vladivostok über Moskau nach Zürich. 

Um 5 Uhr fuhr das Taxi, ein Van, vor und fuhr mich zum Flughafen. Meine übergrosse Kiste wurde diskussionslos angenommen und samt meinen Saccochen direkt nach Zürich adressiert. Ich musste mich in Moskau also nicht um den Umlad des sperrigen Velos kümmern. Ausserdem kostete das Velo, als Extragepäck nichts. So einfach habe kaum je eingecheckt. Aber meine GlücksSträhne ging weiter. Ich flog in der BusinessClass! Wie damals von der Krim nach Moskau. Die Economy war wohl überbucht und die Business hatte noch Plätze. Ein grosse KomfortSteigerung für einen Flug von immerhin 8 1/2 Stunden. 

In Moskau musste ich allerdings 8 Stunden auf meinen Weiterflug nach Zürich warten. In Kloten holte mich mein Sohn Roman ab und ich kam so gegen 11 Uhr abends nach Hause. An die Chilbi ging ich nicht mehr. Eine lange und etwas verrückte Reise nahm ein glückliches Ende. 

So, 19.8.2928, Vladivostok 4. Wetter: Schön, 28°. 

Heute zerriss ich keine Stricke mehr, ich machte auch keine Exkursionen, wohin auch immer. Ich habe soviel gesehen, dass mein Bedarf an Neuem gedeckt war. Ich verwöhnte mich nochmals mit Sushi (Japan ist ja nicht weit) und mit Pasta in einem italienischen Restaurant. Morgen stehe ich nochmals um 4 Uhr 30 auf (aber das ist ja seit Langem Standart) und fahre per Taxi zum Flughafen, etwa 50 km nördlich der Stadt. 

Sa, 18.8.2018, Vladivostok3. Wetter: Wechselnd bewölkt, 25°. 

Mit einem UraltBoot machte ich eine SightSeeingTour durch die Hafen-Anlagen und zu den Brücken von Vladivostok. Am Mittag frönte ich nochmals meiner SushiVorliebe und den Nachmittag schlenderte ich durch die Stadt. Aber eigentlich gab es nicht sehr viel zu sehen, dh, der Vergleich mit San Francisco ist ziemich gewagt. Auch am Abend blieb ich der russischen Küche untreu und suchte ein italienisches Restaurant auf: Fettucini Carbonara. Und, ich glaubte es kaum, ich genehmigte mir einen eiskalten Limoncello (das konnte ich selbst auf kyrillisch entziffern) aus Sorento, was mich intensiv an meine SüdEuropaReise erinnerte. Aber eben, ich muss mich ja nicht zurückhalten, ich darf eigentlich essen, soviel ich will und ich bin gespannt, wieviel ich auf dieser Reise wieder abgenommen habe: Ich schätze mal, 7 kg. Meine Wage zu Hause wird‘s mir zeigen. 

Fr, 17.8.2018, Vladivostok2. Wetter: wechselnd bewölkt, 25°. 

Vladiwostok (Beherrsche den Osten) hat 600‘000 Einwohner und liegt am japanischen Meer, breitenmässig auf der Höhe von Florenz (im Winter aber unheimlich kalt). 

Nach langem Suchen fand ich einen VeloShop und erhielt einen VeloKarton samt KlebeBand gratis. Mit einem Taxi fuhr ich ins Hotel zurück. Aber der Karton war zu klein. Mit Karton und Velo fuhr ich nochmals per Taxi zum VeloShop. Das Velo verpackt in einem grösseren Karton fuhr ich ins Hotel zurück. Ich hoffe nur, es gibt keine Probleme beim Einchecken am Flughafen mit dieser übergrossen Kiste. Ich suchte aus einer NaviAuswahl von 16 Sushi-Restaurants das Nächste aus und wurde nicht enttäuscht. Den Nachmittag erkundete ich Vladivostok. 

Do, 16.8.2028, Vladivostok, 92km. Wetter: Bewölkt, 23°. Unterkunft: Hotel Renaissance, sFr 92.—.

Aufgrund der kurzen Distanz war ich schon vor Mittag in der Stadt. Ich sah gerade, wie mein kleiner KilometerZähler auf 10‘000 km sprang, als neben mir eine AutoWaschanlage auftauchte. Ich liess mir das Velo mit Hochdruck reinigen. Vor der Garage diskutierten einige Männer intensiv über meine 10‘000 km und dies natürlich im Zusammenhang mit meinem Alter. Zum Schluss schüttelten mir alle engagiert die Hand, bezahlen musste ich wieder einmal nichts. 

Vladivostok wird auch das SanFrancisco des Ostens genannt. Hier ein Hotel zu suchen ist eine reine Berg-und Talfahrt, wobei ich die meisten Aufstiege absteigen und stossen musste. Nach einer Odyssee fand ich in einem kleinen Hotel, das fast nicht zu finden war ein sehr schönes Zimmer. Ich buchte vier Nächte, denn am Montag, 20.8.2018 werde ich heimfliegen, nachdem ich in Kabarovsk meinen ursprünglichen Flug um eine Woche vorverschoben hatte. 

Heutehabe ich den 10‘000-sten Kilometer durchfahren und schliesse die VeloReise auf dem Stand von 10‘014 km ab.

Mi, 15.8.2018, Ussuriysk, 159 km. Wetter: Unterkunft: Hotel Lainer, sFr 33.—.

In der Nacht hat es viel geregnet und aufgrund der dichten Bewölkung wartete ich bis halb sieben mit dem Start. Es regnete weiter bis Mittag. Kaum war es einigermassen trocken hatte ich meinen 3. Platten. Wie üblich hinten. Also alles abpacken, das Velo umkehren, das Rad aus dem Wechsel nehmen, den Pneu aus der Felge stemmen, das Loch reparieren und dann alles wieder umgekehrt. Da sich allerdings der Schlauch zersetzt hat hatte ich schon nach 100 m keine Luft mehr. Das ganze Prozedere noch einmal, aber diesmal setzte ich meinen Ersatzschlauch ein. In Ussuriysk fand ich schnell ein schönes kleines Hotel in der recht grossen Stadt, billiger als viele der erlebten KatastrophenBuden unterwegs. 

Di, 14.8.2018, bei SpasskDalniy, 170km. Wetter: Bewölkt, 25°. Unterkunft: Hotel Versach, aFr 46.—.

Die Tage wiederholen sich. Zumindest fand ich heute problemlos ein ganz passables Hotel, sogar mit WLan. Es verbleiben noch etwa 250 km bis Vladivostok. Ich hoffe, das Wetter hält sich bis dahin, denn heute musste ich immer wieder etwas warten, damit ich nicht in eine Regenfront vor mir fuhr. 

Mo, 13.8.2018, bei Dalnerechensk, 152 km. Wetter: Schön, 28°. Unterkunft: Gasthaus an der Strasse, sFr 35.—.

Da es gestern so spät wurde fuhr ich erst gegen 7 Uhr ab, durch immer die gleiche Landschaft. Irgendwann wunderte ich mich aber gewaltig. Mir wurde die Zeit automatisch um zwei Stunden zurückgestellt, ich war jetzt nur noch 5 Stunden vor der Schweizer Zeit. Zwar fahre ich seit Kabarovsk nach SüdSüdWest (Kabarovsk war der östlichste Ort meiner Reise), aber dass deswegen die Zeit zurückgestellt  wird begriff ich nicht, und das sogar um zwei Stunden! Nach etwa 140 km sah ich eine offensichtliche Unterkunft an der Strasse, aber ich fuhr weiter gemäss meinem Navi. Nur, das NaviHotel existierte nur noch als GeisterHotel. Ich fuhr also wieder alles zurück und erhielt tatsächlich ein Zimmer im Kaffee, bei dem ich durchgefahren bin. Beim Zurückfahren schaltete meine Uhr wieder zwei Stunden nach vorne und spätestens, als ich von der Swisscom die Meldung erhielt: ‚Willkommen in China‘ war das Rätsel gelöst. Ich bin nur noch etwa zwei Kilometer vom Ussuri und somit von der chinesischen Grenze entfernt, sodass mein iPhon und die Swisscom mit der Navigation etwas in Konfusion gerieten, denn China hat im ganzen Land nur eine Zeitzone, dh, im Osten muss der Tag sehr früh anfangen, damit es im Westen zumindest um 8 Uhr auch noch zu dämmern beginnt. 

So, 12.8.2018, Bikin, 235 km. Wetter: Schön, 28°. Unterkunft in Gasthaus, sFr 20.—.

Die Tage werden kürzer, somit startete ich um sechs. Die Landschaft ist nach wie vor der gleiche WildnisMix wie fast immer: Wald, Busch, Heide und Moore, nur sporadisch ein SoyaFeld. Wider Erwarten gab es auch heute kaum ein Haus, ich sah auch nur wenige Leute, höchsten einige, die Beeren und Gemüse verkauften. Wider Erwarten gab es auch erst nach 120 km die erste Unterkunft. Die liess ich sausen, denn ich rechnete fest damit, dass noch vor Bikin eine auftauchen würde. Ich irrte mich und fuhr somit zu einer Unterkunft gemäss meinem Navi in Bikin. Eben, die Tage werden kürzer. Als ich das Haus erreichte war es am Eindunkeln. Aber, das Haus war voll. Bikin hat noch weitere Hotels und so fuhr ich weiter. Aber auch das Nächste war ausgebucht. Immerhin telefonierte die Dame einem weiteren Hotel, ausgebucht. Aber sie liess nicht locker und konnte mir die Adresse eines Gasthofes geben. Mein Navi fand die Adresse und so fuhr ich bei mittlerweile völliger Dunkelheit wieder viele Kilometer nach Norden. Ich erhielt ein Zimmer, etwas essen konnte ich im dazugehörenden Kaffee. Bis ich wieder im Zimmer war, war es 11 Uhr. Morgen schlafe ich länger und fahre deutlich kürzer. 

Sa, 11.8.2018, Kabarovsk3. Wetter: Schön, 25°. 

Das Einzige, über das es sich lohnt zu berichten war mein Nachtessen in einer völlig verrückten italienischen Pizzeria. Da ist alles auf IntensivLeben ausgerichtet. Alle Kellner und Kellnerinnen sind venezianisch verkleidet und geschminkt, wenn man etwas wollte musste man laut ‚mamma mia‘ rufen. Es wurde getanzt und gesungen, es war schlicht ein verrückter Laden. Auch Adriano Celentano fehlte natürlich nicht. Die Pizza war ausgezeichnet und der Laden randvoll. Das zeigt vor allem, auch Spinner können Geld verdienen. Ein sehr sympathischer Abschluss meiner Ruhetage in Kabarovsk. 

Fr, 10.8.2018, Kabarovsk2, Ruhetag.  Wetter: schwül, Regen, 25°. 

Kabarovsk ist eine GrossStadt mit über 500‘000 Einwohner und ich erreichte sie gestern über eine drei Kilometer lange kombinierte Eisenbahn- und StrassenBrücke über den Amur. Knapp westlich der Stadt fliesst ein weiterer Riesenfluss in den Amur, der Ussuri, der nach Süden bis fast nach Vladiwostok erneut die Grenze von Russland und China definiert. Ich werde für die verbleibenden 800 km immer knapp daneben bleiben.

Mein Bart geriet langsam ausser Kontrolle, weshalb ich einen Coiffeur aufsuchte, der, resp. die mich (Coiffeuse) von einem WaldMenschen zurück in einen kultivierten Städter verwandelte. Da es ab Mittag zu regnen begann verbrachte ich viel Zeit im Hotel, denn ich konnte hier ja wieder einige NZZ‘s herunterladen und mich über die Welt orientieren. 

Do, 9.8.2018, Kabarovsk, 204 km. Wetter: Leicht bewölkt, 28°. Unterkunft: Hotel Parus, sFr 80.—.

Um 5 30 war es leidlich hell und ich fuhr durch meist flaches WildLand durch die TiefEbene des Amur. Da ich nah der TransSib fuhr hatte es wieder kleine Dörfchen mit kleinen Läden. Es gab auch wieder kleinste StrassenStände wo Gemüse, Beeren, Honig, Pilze, ja sogar Melonen feil gehalten wurden. Kurz, es kehrte wieder Leben ein. 

Kabarovsk, für mich schon fast ein magischer Name. In Irkutsk war für mich klar, ich würde die einsamste Strasse Russlands, rund um die Manchurei von China, durch den wilden Osten Russlands nicht mit dem Velo schaffen. Ich würde die 3200 km, eben bis Kabarovsk auf die TransSib steigen, nicht aus Zeitmangel, sondern weil mir angst und bange wurde von dieser Strecke. In Irkutsk entschied ich mich dann aber, noch bis UlanUde zu fahren und erst ab dort auf die TransSib zu steigen. Nur, in UlanUde entschied ich mich, noch eine Etappe nach Chita mit dem Velo zu absolvieren. Nach zwei Ruhetagen dort war dann allerdings klar: Ich fahre die restlichen 2200 km durch, mit dem Velo und nicht mit der TransSib. Und heute kam ich also in Kabarovsk an und stieg ab dem Velo und nicht aus der TransSib. 

Ich suchte explizit nach einem 5-SterneHotel, denn ich gedachte 3 Nächte im Luxus zu geniessen, als KontrastProgramm zu den letzten, wie man’s rechnet, 2-3000 schwierigen Kilometern. Nach einer Irrfahrt von etwa 1,5 Stunden fand ich eines, und das geradezu zu einem SchnäppchenPreis.

Mi, 8.8.2018, bei Birobizhan, 188 km. Wetter: Leicht bewölkt, 25°. Unterkunft: Kaffee an der Strasse, sFr 30.—.

Knapp vor 5 Uhr wurde es genügend hell, um mich auf den Weg zu machen. Ich hatte zwangsläufig eine grosse Distanz vor mir, ausserdem rechnete ich damit, dass die Uhren wieder eine Stunde vorgestellt werden. Ich war den ganzen Tag auf Leistung getrimmt und erreichte meine anvisierte Unterkunft, die einzige auf der ganzen Strecke, trotz einer ‚gestohlenen‘ Stunde um 19 30. Die Landschaft war wieder sehr hügelig und wild, Landwirtschaft gab es keine. 

Ich bin jetzt also 7 Stunden vor der Schweizer Zeit. Ausserdem habe ich heute den 9’000-sten  Kilometer durchfahren. 

Di, 7.8.2018, Nähe Kugdur, 113 km. Wetter: Schön, 28°. Unterkunft: Kaffee mit Zimmern, sFr 18.—.

Heute reichte es, um 7 Uhr abzufahren, denn ich muss mich auch bei den kurzen Strecken an die bestehenden Unterkünfte richten. Es wurde wieder deutlich hügeliger und die HöhenMeter beginnen sich wieder zu akkumulieren. Es gibt auch keine Landwirtschaft mehr, sondern vorwiegend Wald. Morgen habe ich wieder einmal eine 190 km-Etappe vor mir. Ausserdem rechne ich damit, dass die Uhren wieder eine Stunde vorgestellt werden. Ich werde somit zum frühst möglichen Zeitpunkt starten, dh, sobald die MorgenDämmerung einen Start zulässt. Aber eben, ich kann ja sehr früh ins Bett gehen. 

Mo, 6.8.2018, bei Bureyo, 185 km, Wetter: Schön, 28°. Unterkunft: Hotel an der Strasse, sFr 33.—.

Da eine grosse Strecke vor mir lag startete ich kurz nach 5 Uhr und fuhr den ganzen Tag durch flachwelliges Land mit grossflächigen Soya-Anbauten. Aber auch heute sah ich kaum ein Haus, kleine Dörfer gibt es allerdings entlang der Bahn, 5-10 km neben der Strasse. Auch die Tiefebene bis zum Amur, etwa 50 km entfernt, ist wahrscheinlich sehr fruchtbar, denn ich sah ganze Batterien von grossen GetreideSilos. Ansonsten war die Fahrt ereignislos, ausser, dass ich meinen 2. Platten reparieren musste — und ich geniesse das weiterhin schöne Wetter. Meine Liste mit den Unterkünften ist tatsächlich Gold wert, vor allem, wenn die Unterkünfte so weit entfernt liegen. Ohne Liste nähme die Spekulation und das Bangen kein Ende. 

So, 5.8.2018, Belogorsk2. Ruhetag. Wetter: Wechselnd bewölkt, 28°. 

In Belagorsk gibt es nichts zu sehen, es war somit ein reiner Ruhetag mit viel Schlaf. Das nächste Ziel ist Kabarowsk, der östlichste Punkt meiner Reise. 

Sa, 4.8.2018, Belogorsk, 130km. Wetter: Schön, 25°. Unterkunft: Hotel Severnaya, sFr 33.—.

Etwa nach 50km kam ich in die Tiefebene des schiffbaren Selenzha/ Zeya-Flusses. Dieser fliesst in den Amur. Es gab wieder sporadische Landwirtschaft und die Zivilisation kehrte langsam zurück. Der Tag war wunderschön und warm und da ich mit Sicherheit annahm, ich würde in Belagorsk, einer etwa 15 km abseits der Hauptstrasse liegenden 70‘000-EinwohnerStadt (natürlich an der TransSib), ein Hotel finden war ich den ganzen Tag guten Mutes. Von den zwei Hotels, die es gab, stieg ich schon im ersten ab und entschied mich, für zwei Nächte zu buchen, dh, den lange ersehnten Ruhetag einzuschalten. 

Hier in Belogorsk fühle ich mich nach vielen, sehr langen Tagen mit grosser mentaler Belastung richtiggehend wieder zurück in der Zivilisation. Es gibt Häuser, es gibt Läden, es gibt Leute, es gibt Leben und es gibt auch wieder Kommunikation übers Internet. Und nicht nur immer Wälder und Wälder und Wälder und Wälder —— und sonst gar nichts. Wenn ich wenigstens einmal eine Maus gesehen hätte, aber nicht einmal die gab es, nur Krähen. Das Hotel hat funktionierendes W-Lan, sogar im Zimmer. Es hat auch wieder einigermassen normale sanitäre Anlagen, die sogar funktionieren und einen Kühlschrank. Absolut kein LuxusHotel, nach all den entbehrungsreichen Tagen aber Luxus pur. Das Empfinden ist eben immer relativ. Ich erlebe ein einziges KontrastProgramm. Aber es sind immer die Kontraste und die  damit einhergehenden Spannungen, die das Leben bereichern. Und dass ich 1500 km durch faktisches Niemandsland geschafft habe erfüllt mich mit einer tiefen Zufriedenheit und dass in dieser Gegend nichts passiert ist mit grosser Dankbarkeit. Es waren die intensivst empfundenen 1500 km (Wetzikon - Sizilien) auf allen meinen Reisen.

Mein iPad ist nun endgültig ausgestiegen und da ich auch mit meinem iPhon ständig W-Lan-Probleme habe müssen meine Einträge ins Netz wohl noch bis morgen warten - irgendwann wird’s wohl funktionieren.

Fr, 3.8.2018, bei Uglegorsk, 145 km. Wetter: Morgen Hochnebel, ab 14 Uhr schön, 25°. Unterkunft: Motel, sFr 20.—.

Gestern habe ich versucht, meine Berichte per SMS an Katharina zu senden. Es funktionierte tatsächlich, nur Bilder werden ab Russland nicht übermittelt, mit einem Bild auch der  Text nicht. So muss man alles herausfinden. So ab der Welt bin ich scheinbar doch nicht. 

Am Abend gesellte sich noch ein etwa 50-jähriger Franzose zu mir ins Zimmer. Er ist seit drei Monaten mit seinem Töff unterwegs und bereist die ganze Welt in einem Sabatical-Jahr. Einmal mehr sah ich heute nur Wildnis, allerdings scheint sich der Verkehr etwas zu verstärken. Morgen komme ich langsam in urbanere Gegenden und vielleicht habe ich seit einer Woche wieder einmal W-Lan, um meine Berichte ins Netz zu stellen. 

Do, 2.8.2018, bei Sivaki, 147 km. Wetter: Schön, 25°. Unterkunft: Kaffee an der Strasse, sFr 16.—.

Noch nach Tagen kratze ich meine gesammelten Mückenstiche, vor allem aus der Zeltnacht am Fluss an den Beinen blutig. Heute wusste ich schon am Morgen, dass ich die nächste Unterkunft schon in weniger als 150 km erreichen würde. Ich hätte somit auch eine Stunde länger schlafen können, denn schon um 15 Uhr erreichte ich mein Ziel, nach einer sehr schönen Fahrt bei schönstem Wetter durch allerdings immer die gleichen Wildnisse. Auch heute habe ich kein Haus gesehen. Überhaupt finde ich, ich sei am Ende der Welt. Auf früheren Reisen war es normal, dass kein Kontakt nach Hause möglich war und heute werde ich schon nervös, wenn das Internet einmal für eine Woche ausfällt. Man gewöhnt sich an die modernen Hilfsmittel und findet sich am Ende der Welt, wenn einmal die Sofort-Kommunikation ausfällt. 

Mi, 1.8.2018, bei Magdagach, 144 km. Wetter: Schön, 27°. Unterkunft: Motel, sFr 32.—.

Gestern habe ich die nördliche Kulmination rund um China passiert und damit, wie es scheint, die endlose Berg-und Talfahrt der letzten Tage. Ab heute geht es Richtung SüdOsten und es wurde flacher. Ich bin im Tal des grossen Flusses Amur. Er fliest etwa 40-100 km westlich von Strasse und Bahn direkt auf der russisch/chinesischen Grenze. In dieser vielfach offenen und flacheren Landschaft mit nur wenig Wald hellt auch die Stimmung auf, die bergigen Waldgebiete sind auf Dauer erdrückend.

Das Foto der Reisekarte, das ich vorgestern von Touristen gemacht habe ist Gold wert. Die Angaben betreffend Restaurants und Unterkünften stimmten an mittlerweile  drei Tagen. Morgen sollte ich nach etwa 150 km wieder an einer Unterkunft vorbeikommen. Sehr, sehr beruhigend, schon fast beflügelnd, vor allem bei dem grandiosen Wetter. 

Heute habe ich den 8000-sten Kilometer durchfahren. 

Di, 31.7.2018, bei NeverHebep, 167 km. Wetter: Morgen bedeckt, nachher schön, am Abend Gewitter, 27°. Unterkunft: Hotel an der Strasse, sFr 40.—.

In der Nacht hat es scheinbar geregnet. Meine Fahrt zu beschreiben wird langsam eintönig. Jeder Tag ist gleich wie die Vortage: Gute Strasse, mittlerweile fast kein Verkehr mehr, nur Wildnis, kein einziges Haus und, ein Novum, kein einziges Restaurant zwischen der Unterkunft heute Morgen und derjenigen von heute Abend, auf fast 170km. Da ich am heutigen warmen Tag viel Flüssigkeit brauchte, war mein Vorrat von 6 Litern auf gerade noch einen Liter zusammengeschrumpft. Da ich an solchen Tagend mindestens 1,5 Liter nachtrinken muss brauchte ich dringend Nachschub und ich hoffte mittlerweile inständig, das angekündigte Hotel existiere tatsächlich, denn, wie ich eine ZeltNacht überstanden hätte weiss ich nicht: Ich war ausgebrannt. Das Hotel existierte — und ich futterte im Restaurant nach, nur um einmal mehr herauszufinden, dass mein Hunger schon nach der Hälfte einer normalen Portion zu streiken beginnt. Eigentlich wäre ich dringend auf einen Ruhetag angewiesen (nach 1000 km), aber ich glaube kaum, dass ich ihn hier verbringen werde. Es gibt keine Umgebung, nur die Strasse, WiFi gibt es schon seit Tagen nicht mehr, mein Kontakt zur Welt ist somit zusammengebrochen. Das Einzige, das funktioniert sind meine täglichen SMS an Katharina, dass ich zumindest noch existiere. Beruhigend. 

Mo, 30.7.2018, Nähe von Yerogey Pavlovich, 206 km. Wetter: Schön, 28°. Unterkunft: Kaffee an der Strasse, sFr 15.—.

Die letzte Nacht erlebte ich schnarchen auf spanisch, aber ich überlebte das. Die gestrige grosse Abfahrt von der Hauptstrasse musste ich heute wieder aufsteigen, nur um gleich danach den ganzen Höhenunterschied wieder hinunterzufahren. Eine direkte Strasse gab es nicht. Aber genau so ging es weiter und weiter und weiter und weiter ——.  Auf und nieder usw. Und wieder kein Haus, keine Landwirtschaft, nur absolut reine Wildnis. Mittlerweile decke ich mich situationsgerecht ein, incl. einer russischen Wurst. Nach über 200km erreichte ich meine Unterkunft, von der ich nie wusste, ob sie überhaupt existierte, etwa um 20Uhr30. 30 km davor fragte ich eine Touristenfamilie nach einem Hotel. Eine Frau ging zum Auto und brachte eine Tabelle mit allen Restaurants und Hotels von Chita bis Vladiwostok. Ich fotografierte das Blatt Papier und muss nun nur noch herausfinden was alles in meiner Schrift heisst. Aber ich glaube, das ist eine grosse Hilfe. Es wird eine sehr kurze Nacht, aber ich fahre morgen weiter, denn ich will die scheinbar grosse HochdruckLage ausnützen. 

So, 29.7.2018, Mogocha, 123 km. Wetter: Nebel, Hochnebel, schön, 30°. Unterkunft: Hotel Semerohska, sFr 15.—.

Etwa um 7 Uhr hatte ich mein Zelt abgebrochen und platschnass (KondensWasser) eingepackt. Ironie des Schicksals: Das nächste Hotel sollte erst nach über 100 km kommen, 2 km nach meiner Abfahrt gab‘s ein Kaffee, das Zimmer vermietete. Auch den heutigen Tag erlebte ich nur als eine Fahrt durch totale Wildnis. Erneut sah ich kein einziges Haus, nur eine Tankstelle mit einem Restaurant (wie erwähnt). Unterwegs werde ich immer wieder durch russische TöffFahrer angehalten. Aber meistens können wir uns ja nicht unterhalten. Heute allerdings sprach mich einer in gutem Englisch an und er lud mich zu seinem Freund in Mogocha ein. Ich fand die Adresse im Navi und er gab mir auch die TelNr seines Freundes an. Also fuhr ich den Umweg nach Mogocha (11km pro Weg). Aber das Treffen klappte nicht, weshalb ich mich in einem Hotel in der Stadt einschrieb. Ich teilte das Zimmer mit einem Spanier, der seit 3 Monaten mit dem Motorrad in ganz ZentralAsien unterwegs ist. Ich konnte wenigstens wieder einmal mit jemandem sprechen. 

Sa, 28.7.2018, unterwegs, 177 km. Wetter: Nebel, Hochnebel, schön, 28°. Unterkunft im Zelt. 

Ich muss mich an neue Verhältnisse gewöhnen. Der Verkehr ist mittlerweile sehr gering. Deshalb hatte es auch erst nach vollen 118 km das erste und einzige Restaurant des heutigen Tages. Auf die 177 km sah ich heute kein einziges Haus, nur reine Wildnis. Zu trinken hatte ich genug, auch für eine Zeltnacht, aber zu essen nicht. In diesem Restaurant ass ich mich richtiggehend voll, kaufte noch einige Snickers und Wasser und fuhr weiter. Bei einem grösseren Fluss fuhr ich an dessen Ufer und stellt mein Zelt auf einer Sandbank auf. Neben mir präparierte ein EhePaar einen geradezu gigantischen Z‘Nacht mit Schaschlik auf dem Grill, Kartoffeln auf dem Gaskocher und jeder Menge Gemüse. Sie waren sehr erfreut mich wiederzusehen, denn kurz nach Chita hatten sie mich überholt. Der Mann sprach 20 Wörter englisch und so ‚verständigten‘ wir uns irgendwie. Ich war natürlich zum Essen eingeladen und so verwandelte sich meine Sorge vom Mangel an Esswaren in ein Problem des Überflusses. Wodka durfte natürlich nicht fehlen. Aber um 9 Uhr verabschiedete ich mich ins Zelt. Das Paar schlief im Auto. 

Fr, 27.7.2018, Chernyshevsk, 132 km. Wetter: Leicht bewölkt, 30°. Unterkunft: Hotel an der Strasse, sFr 12.—.

Ich hatte eine schlechte Nacht. Vom Waschen bei 100° erholte ich mich fast nicht mehr und so schwitzte ich wahrend Stunden auf dem Bett vor mich hin. Erst gegen Morgen kühlte ich langsam ab. 

Die Landschaft war heute niederwellig, fast ohne Wald mit durchgehend offener Heide. So gegen Mittag fuhr ich aber auch wieder durch grossflächiges LandwirtschaftsLand. Schon um 15 Uhr passierte ich ein ‚Hotel‘ (Hotel dürfen sich wohl nur Häuser nennen mit einem MinimalStandart). So war auch diese Unterkunft nicht mit Hotel angeschrieben, trotzdem sie einen vergleichsweise guten Standart aufwies. 

Do, 26.7.2018, Shilka, 184 km. Wetter: Leicht bewölkt, 28°. Unterkunft: Ein lausiges Loch, sFr 8 + 3 = 11.—.Um 6 Uhr startete ich und fuhr auf sehr guter Strasse bei wenig Verkehr durch sehr einsame Gegenden über eine GeländeWelle nach der andern, vorwiegend durch Wald. Ich habe mich vollends auf‘s Zelten eingestellt. Das hat den Vorteil, dass ich täglich sehr weit komme, denn es macht ja wenig Sinn, um 17 Uhr das Zelt aufzustellen und dann Daumen zu drehen bis zum Einnachten. Das hat aber auch den Vorteil eine feste UnterkunftsMöglichkeit zu nutzen, sofern denn eine kommt. Bei km 184 kam eine.

Die wohl lausigste dieser Reise, aber man lernt nie aus. Das Zimmer kostete 6 Franken. Toilette ist in der Pampa. Der Hit war allerdings das ‚Bagno‘ (ist, glaube ich, sogar russisch). Das war eine auf 100° aufgeheizte Sauna in einer fürchterlichen Hütte mit einem Bottich siedendem und einem mit lauwarmem Wasser. Dazu gab es Waschbecken und Schöpfkellen. Ich strubbte mich mit meinem Waschplätz und genügend lauwarmem Wasser auf dem Holzrost bei der UmgebungsTemperatur von 100°, danach wusch ich noch meine TagesWäsche, alles ohne Seife und floh nach draussen, trocknete mich mit meinem ausgewundenen Waschblätz, blieb noch etwas im Wind stehen bis ich endgültig trocken war und begab mich, angezogen natürlich, ins Restaurant. Aber eben, die Benutzung des Bagnos kostete nochmals 3 Franken zusätzlich. Zumindest die FleischSuppe und das Bier waren einwandfrei. Die bauliche Substanz und die äusserst primitiven Einrichtungen wie das Bagno und die Toilette muten schon fast tragisch an — aber bezahlen konnte ich per Karte. 

Heute habe ich den 7’000-sten Kilometer durchfahren.

Mi, 25.7.2028, Chita3, Ruhetag. Wetter: Schön, 28°. 

Das Hotel ist scheinbar voller Chinesen. Die meisten davon in irgendeiner Uniform. Ich fühlte mich an Kashgar erinnert und es gibt wesentlich schönere Erinnerungen. In Chita beginnt ein weiterer Strang der TransSib, nämlich auf direktem Weg durch China nach Vladiwostok. Ich hingegen fahre einen Umweg nördlich der Manchurei (China) auch entlang der Orginal-TransSib und alles entlang des Flusses Amur, der den grössten Teil der russisch/ chinesischen Grenze markiert. Ansonsten hatte ich einen geruhsamen Tag. 

Di, 24.7.2028, Chita2, Ruhetag. Wetter: Schön, 25°. 

Chita ist die Hauptstadt der Region TransBaikalien mit 300‘000 Einwohnern im JablonovGebirge. Im Winter ist es ungeheuer kalt( bis minus 50°). Chita war einst  HauptAufmarsch-Stadt der Sowjetarmee in den spannungsgeladenen 1960-er Jahren mit China. 

Aber nun zurück zu meiner Realität. Mein Wechsel funktionierte nur noch zu einem Drittel, ich hatte also schon seit langem grosse Probleme mit Schalten, mein rechter Daumen drohte auszusteigen. Irgendwie fand ich in der Stadt einen VeloShop mit einem jungen, kleinen Mechaniker mit 15 Wörtern englisch. Wir verstanden uns prächtig. Er hatte mein defektes Schaltelement an Lager (ich bin wieder einmal froh über mein 08/15-Velo), wechselte es, er demontierte meine Schaltung am hinteren Wechsel, reinigte diese in Kerosen,  montierte sie wieder und machte eine FeinEinstellung. Ausserdem wechselte er meine Kette (die war erneut geradezu fürchterlich verzogen). Dem Gefühl nach hatte ich nachher eine neue Schaltung. Ich gab ihm ein würdiges Trinkgeld. Aber sonst war es ein reiner Ruhetag mit Nachfuttern und auch etwas Nachschlafen. Ich liebe solche Tage. 

Noch etwas: Ich werde immer wieder von MotorradFahrern, auch von Europäern überholt. Fast alle winken mir. Aber dann denke ich mir: Die fahren mit einem Hunderter durch die Landschaft und meinen, etwas zu sehen und etwas zu erleben, und dabei haben sie nur den Tacho im Blickfeld. Ihre Geschwindigkeit richtet sich ausschliesslich nach der Kraft ihres 2 bis 4-Zylinders mit einem grossen BenzinVerbrauch unter ihrem Sattel, während ich manchmal auch etwas Benzin tanken respektive etwas essen sollte. Mein täglicher DurchschnittsVerbrauch liegt bei etwa 3 dl Diesel. Aber natürlich: Jeder empfindet sein eigenes Abenteuer. 

Mo, 23.7.2018, Chita, 239 km. Wetter: Am Morgen Nebel dann schön, 25°. Unterkunft: Hotel Montblanc, sFr 80.—.

Aufgrund der gestrigen ZeitVerschiebung war es um 5 Uhr noch dunkel, so startete ich um 6 Uhr bei vorerst dichtem Nebel. Danach wurde es schön und immer wärmer. Ich hatte wieder einmal seit langem merklichen RückenWind und so fuhr ich relativ schnell durch ebenes und sehr flaches oder langwelliges Land. In dieser Topografie kam ich sehr gut zurecht mit nur dem grossen vorderen Kranz. Nur einmal musste ich absteigen und stossen. In den weiten Ebenen gab es nur noch Steppe oder sogar Pampa mit Kühen und Pferden. Nur die flachen Bergrücken waren bewaldet. Bei etwa km 180 kam ich an einem Hotel an der Strasse vorbei. Es machte einen schlechten Eindruck auf mich weshalb ich es vorzog, nochmals Gas zu geben. So gegen neun Uhr, noch immer im Sonnenschein, fuhr ich in die Innenstadt und fragte nach dem besten Hotel. Kurz danach bezog ich Quartier im grossen ZentrumsHotel. Das war ein 15 Stunden VeloTag, davon 13 Stunden im Sattel. Seit langem schmerzte mein Hinter trotz Brooks -Ledersattel. Da ich wieder einmal ohne einzukehren durchgefahren war und mich nur mit Snacks ernährt hatte genoss ich eine grosse Portion Sushi im Restaurant neben dem Hotel. Ich bleibe mindestens zwei Nächte in Chita. 

So, 22,7,2018, Arey, 119 km mit dem Velo, 160 km auf PickUp, Wetter: Hochnebel bis schön 15-20°. Unterkunft: ??, sFr 38.—. 

Trotz der frühen Abfahrt und des trockenen Wetters kam ich heute schlecht vorwärts. Erstens war die Landschaft schon fast gebirgig, zweitens wurde mir wieder die Zeit eine Stunde vorgestellt, drittens reparierte ich heute meinen ersten Platten und viertens ist mir noch die linke Schaltung ausgefallen. Ich kann vorne nur noch im grössten Zahnrad fahren. Sogenannte Motels an der Strasse gibt es keine mehr und in den kleinen, sehr einfachen Bauerndörfern, so alle 30 km, brauche ich nicht einmal anzufragen. Aber dann überholte mich ein PickUp sehr langsam und winkte mir aus dem Fenster zu. Ich pfiff und er hielt an. Es gäbe keine Hotels vor Arey und das sei etwa 80 km von hier. Das würde ich heute nie mehr erreichen. Aber einige Minuten später war mein Velo verladen und wir fuhren Richtung Arey. Nur, wir erreichten das Motel erst nach 160km. Das habe ich zwar nicht beabsichtigt aber es gab sonst auf der ganzen Strecke keine Unterkunft. Wir unterhielten uns über ÜbersetzungsApp und per Telefon mit seiner Frau und einer Tochter, die leidlich englisch sprachen. 

Ich bin mittlerweile 6 Stunden vor der Schweizer Zeit und ich hoffe, erstens mit meiner havarierten Schaltung bis nach Chita zu kommen und zweitens dort einen Ersatz zu finden. 

Sa, 21.7.2018, Nicolsk, 165 km. Wetter: Bedeckt, Regen, 18°. Unterkunft: ??, sFr 16.—.Die frühen Starts um 5 Uhr haben sich bewährt, ich behalte sie bei. Anfänglich fuhr ich durch ein weites Tal entlang des Flusses Selenga. Es gab fast keinen Wald mehr, eigentlich nur noch Steppe. Bis dahin war es noch trocken. Dann aber regnete es ununterbrochen für 7 Stunden. Ich fuhr über drei Pässe, durch schöne, weite Täler mit dauernd wechselnder Vegetation. Es gab AlpLandschaften mit grossen Vieherden, reine baumlose Steppe und Intensiv-Landwirtschaft, sehr abwechslungsreich. Nur der Regen blieb immer gleich. Drei Mal kehrte ich in einem der Restaurants an der Strasse ein um mich mit Suppe und Tee etwas aufzuwärmen. Mein Navi zeigte mir eine Unterkunft bei Nicolsk, die einzige und erste seit UlanUde. Eine Stunde vor meiner Unterkunft hörte es endlich auf zu regnen. 

Mittlerweile glaube ich, den Kampf mit meinem iPad verloren zu haben. Seit Wochen flackert es von einer Anwendung zur andern und nur selten kann ich den Bildschirm anhalten, um eine Seit der NZZ zu lesen. Googeln ist so gut wie unmöglich. Aber auch mein iPhon macht sei Wochen Probleme. Ich komme kaum auf‘s W-Lan. Dass ich überhaupt meine Berichte auf‘s Netz stellen kann ist immer eine Sisiphus-Arbeit. Kaum bin ich einmal drin, bin ich auch schon wieder draussen. Aber als AppleFan seit den frühen 80-er-Jahren (Apple Lisa) kann ich ja meine MarkenTreue nicht einfach über den Haufen werfen.  Zuhause wird sich eine Lösung finden. 

Fr, 20.7.2018, Ulan Ude2, Ruhetag. Wetter: Bedeckt, gegen Abend schön, 25°. 

UlanUde ist die Hauptstadt von Burjatien und hat 400‘000 Einwohner. Ab hier teilt sich die TransSib in zwei Stränge. Die eine Linie führt nach Osten über Tschita und Khabarovsk nach Vladiwostock (meine Richtung), die andere nach Süden über Ulan Bator (Mongolei) nach Peking in China. Die Stadt ist ein Zentrum der FlugzeugIndustrie (Suchoi). Die Burjaten, die UrsprungsBevölkerung ist nur noch eine Minderheit, es sind Mongolen mit buddhistischer Religion.  Mir fielen auch die vielen chinesischen Gesichter auf und ganz offensichtlich auch die vielen chinesischen Touristen. Das Ziel meiner nächsten Etappe ist Tschita (Chita, Kita) nach etwa 650 km. 

Do, 19.7.2018, Ulan Ude, 161 km. Wetter: Schön, 28°. Unterkunft: Hotel MergenBator, sFr 160.—.

Ich startete bei unbedecktem Himmel wieder um 5 Uhr und als dann die Sonne aufging fing mir der Tag an zu gefallen.  Nach einer hügeligen Fahrt kam ich hinunter in die grosse Ebene von Selenginsk mit intensiven landwirtschaftlichen Nutzungen. Dann aber entlang dem grossen Fluss Selenga über einen Pass in das Tal von UlanUde. Es war eine sehr schöne Fahrt und wieder einmal so warm, dass in im TrägerLeibchen fahren konnte. Wunderbar. Das einzige, das stört war der flächendeckende Gestank der Abgase einer grossen Fabrik nahe Selenginsk. 

In Ulan Ude wollte ich einen Ruhetag einlegen und landete zufälligerweise im wohl einzigen 5-Sterne Hotel der Stadt. Aber nach zwei Nächten auf Pritschen in gefangenen Zimmern blieb ich trotz des hohen Preises. Denn es sind ja immer die Kontraste, die Spannungen erzeugen und das Leben bereichern. Wenn schon Luxus, dann aber richtig! Mein erstes Bier nach 150 km auf dem Sattel genoss ich im 12. Stock im DrehRestaurant (bei wolkenlosem Himmel). Das zweite auch, zusammen mit FettucciniCarbonara. War nicht gerade mongolisch aber trotzdem gut. Aber eben, so um 9 Uhr fallen mir trotz allem Luxus die Augen zu. Morgen schlafe ich aus. 

Mi, 18.7.2018, Am Baikalsee, 168 km. Wetter: Morgen neblig, ab Mittag schön, 25°. Unterkunft: Dependence ??, 16.—.

Ich will bis morgen Abend in Ulan Ude sein und startete somit wieder um 5Uhr. Aufgrund des nebligen, trüben und sehr feuchten Wetters, war es allerdings noch nicht ganz hell. Auf der ganzen Fahrt sah ich nur einmal auf den BaikalSee.  Auch als es gegen Mittag schön und wärmer wurde konnte ich den See nie sehen, denn zwischen See und meiner Strasse ist die Bahn und immer ein Waldstreifen. Unterwegs ass ich wie üblich eine Suppe, diesmal aber in Gesellschaft einer französisch-russischen Familie, die mein Schweizer-Fähnchen schon von Weitem erkannt hatte. Mittlerweile werden an der Strasse nicht mehr nur Erdbeeren angeboten, sondern auch Heidelbeeren und EierSchwämme und das in Mengen. So viele anhaltende und kaufende Autofahrer/ Kunden kann es ja gar nicht geben. Mein Navi zeigte mir unterwegs nur ein Hotel an, irgendwo an der Strasse auf freiem Feld. Und da war denn auch nichts, aber ich hatte eine Vermutung. Ein Herr am StrassenRand bestätigte mir, dass hier links hinunter ein Hotel sei, nach 500 m. Es wurden dann zwar 3 km, aber ich erreichte so etwas wie ein Ferienzentrum. Das Hauptgebäude und all die vielen HolzBungalows waren zwar besetzt, aber es fand sich dann noch ein Zimmer in einer Dependence. Von drei älteren, vor allem aber auch schwereren Damen wurde ich richtig gehätschelt, dass mir ja nichts fehle. Ich konnte dann irgendwo duschen und meine Wäsche waschen und ging auf ErkundungsTour an den Strand. Hier würde kein Schweizer Ferien buchen, aber ich war glücklich und zufrieden, auch heute wieder eine Unterkunft gefunden zu haben — und verkroch mich in meinen Schlafsack. 

Di, 17.7.2018, Baikalsk, 152 km. Wetter: Bedeckt, 20°. Unterkunft:  ??,15.—

Abfahrt war um 5 Uhr und ich fuhr einen eigentlichen HöhenMarathon, immer zwischen 450 und knapp 1000 müM etwa 110 km an die WestSpitze des BaikalSees und dann entlang des Sees über eine Felsnase nach der andern. Ich überwand so fast 3200 HM. Aufgrund des verhangenen Himmels gab‘s keine brauchbaren Bilder des berühmten Sees. Scheinbar sind alle Erdbeeren reif und alle wollen ihre Ernte an der Strasse verkaufen. Nach sehr langem Herumfragen fand ich eine äusserst einfache Unterkunft, völlig versteckt und nicht angeschrieben, aber tatsächlich mit W-Lan. Das gibt wohl wieder einmal eine Nacht im Schlafsack. 

Heute habe ich 6000-sten Kilometer durchfahren.

Mo, 16.7.2018, Irkutsk3, SightSeeing. Wetter: Schön, 25°. 

Irkutsk ist eine GrossStadt mit etwa 600‘000 Einwohner. Knapp oberhalb der Stadt ist die Angara gestaut, damit ist auch der Baikalsee um einige Meter aufgestaut. Die Angara fliesst in den Yenissei ( Krasnojarsk), einem der 5 grössten Flüsse der Welt mit einem AbflussVolumen von 20‘000 m3/sek (nur: Der Amazonas, mit riesigem Abstand zum Rest der Welt hat ein solches von 200‘000 m3/sek!!). 

Etwa 50 km östlich von Irkutsk liegt der Baikalsee, der grösste SüsswasserSee der Welt, 1600 m tief, der tiefste Punkt liegt somit 1200 m unter MeeresSpiegel und er beinhaltet 20% allen flüssigen Süsswassers der Erde. Morgen fahre ich dahin. Am Abend traf ich mich mit Sergey, einem Reiseführer und besprach mit ihm meine Weiterfahrt durch eine der abgelegensten Gegenden der Welt, und das für etwa 3000km. 

So, 15.7.2018, Irkusk2, Ruhetag. Wetter: Schön und warm, 25°. 

Hier in Irkutsk bin ich bei ganz knapp 6000 km angelangt. Normalerweise endeten alle bisherigen Reisen bei ungefähr dieser Distanz. Heute riss ich keine Bäume aus, sondern genoss den nochmals warmen Tag und stellte mir den Winter in dieser Gegend vor mit DurchschnittsTemperaturen zwischen minus 10 und minus 30°. Dabei gibt es sogar in der Stadt noch viele Holzhäuser mit EinfachVerglasung und cm-breiten Spalten, auf dem Land sowieso. Abendessen gab’s in einem sehr schönen ‚OldVillage‘, wo in sehr vielen Restaurants WasserPfeife geraucht wird, auch von jungen Frauen. 

Sa, 14.7.2018, Irkutsk, 85 km. Wetter: Nebel, dann schön, 30°. Unterkunft: Hotel IBIS, sFr 96.—.

Start wieder bei dichtem Nebel, der sich aber rasch auflöste, es wurde schön und warm. Schon vor dem Mittag stieg ich im IBIS- Hotel ab und buchte für drei Nächte. 

Zweimal fuhr ich an Melonen-Ständen vorbei. Einen fragte ich, ob die russisch seien. Nein, aus Aserbeitschan — und die Bananen daneben waren aus Equador. Wohl aus Machala, der Bananen-Hauptstadt der Welt, wo ich letzten Herbst durchgefahren war. 

Schon seit Wochen hielt ich immer wieder Ausschau nach einer Hochdruch-Reinigungsanlage, um mein Velo und vor allem den Wechsel wieder einmal sauberzukriegen (die Schaltung geht immer strenger). Und dann sah ich eine, kurvte hinein und zu dritt reinigten sie mir mein Velo, incl. mein Fähnchen. So sauber war mein Velo noch nie seit dem Kauf. Da ich sehr früh war machte ich grosse Wäsche und verbrachte den Nachmittag bei schönstem und sehr warmem Wetter an der Angara, dem grossen Fluss, der den Baikalsee etwa 50 km östlich entwässert. 

Fr, 13.7.2018, Ussolje Sibirskoje, 189km. Wetter: Morgen Nebel, 10°, Nachmittag schön, 27°. Unterkunft: Hotel Tigran, sFr 37.—.

Um 5 Uhr war die Landschaft nebelverhangen und mit 10° ausgesprochen kühl. Da ich wieder durch eine hügelige Waldlandschaft fuhr war alles gespenstig. Gegen Mittag löste sich der Nebel auf, es wurde sonnig und warm bei 27°. Ausserdem verschwanden auch die Hügel, es wurde langwellig mit offenen Kultur- und HeideLandschaften. Ich war faszinert von diesen grossen Flächen. Es wurde ausgesprochen angenehm im Vergleich zu den letzten Tagen. 

Auch wildes Grasland wird manchmal geerntet. Die Kühe sind wohl im Stall. Das ist sicher nicht sehr tierfreundlich. Aber es ist beii diesen GrössenVerhältnissen wesentlich ökonomischer, das Futter zu den Tieren, als die Tiere zum Futter zu bringen. Letzteres ist fast unmöglich. Die ganze Welt scheint hier übrigens kleine, wilde Erdbeeren zu sammeln, kübelweise. Ich fand ein apartes Hotel mit einem guten Restaurant auf grosser offener Terrasse. Auch bekam ich tatsächlich ein Glas Rotwein und dachte daran, dass ich ja vor einigen Tagen Geburtstag hatte.

Do, 12.7.2018, Zima, 141 km. Wetter: Bedeckt, Regen, 15°, Abend schöner, 20°. Unterkunft: Hotel ??, sFr 22.—.

Vorsichtshalber startete ich um 5Uhr und fuhr an grossen TagebauStätten, wahrscheinlich Kohle vorbei. Zwei Aargauer HellsAngels auf ihren Harley‘s hielten wegen meines Fähnchens an. Auch sie haben Vladiwostok im Visier, wo sie ihre schweren Maschinen zurückfliegen lassen (3000 $/ Töff). Danach begann es zu regnen, später zu schütten und vor allem es hörte erst nach vier Stunden wieder auf. Da ich während mehreren Kilometern auf einer verherenden SchotterPiste fahren musste, war ich, meine Saccochen und mein Velo nachher so gepflastert, dass ich bei einer Unterkunft die Dame des Hauses zuerst um einen Kübel Wasser und einen PutzLappen bemühen musste, um ihr Haus überhaupt betreten zu können. Auch dieses Haus ist überhaupt nicht als Hotel zu erkennen. Ich fand es nur durch Erfragen.

Mi, 11.7.2018, Tulun, 120 km. Wetter: wechselnd bewölkt, bis 25°. Unterkunft: Hotel Central, sFr 43.—.

Da ich heute schon nach ca. 120 km eine Unterkunft finden dürfte startete ich nochmals eine Stunde später, um 7 Uhr. Ich muss zwischendurch von meinen grossen TagesDistanzen etwas herunterkommen. Anfangs war das Gelände wellig, später ziemlich flach, mit wiederum riesigen Korn-, Raps- und anderen Feldern. Dass die Heide mit weidenden Kühen, beaufsichtigt von reitenden ‚Gauchos‘, bewirtschaftet wird sah ich heute zum ersten Mal

In den sibirischen Dörfern, wo ich manchmal übernachte gibt es rein gar nichts zu sehen. Wenn es regnet kommt man ohne Stiefel kaum durch die Strassen oder man läuft einen fürchterlichen ZichZackKurs, mit alle Gefahren beim x-maligen Überqueren der Strasse. In Tulun war es heute zum Glück trocken und ich fand wieder ein Zimmer in einem Hotel im Zentrum. 

Dank Whats-App erreicht mich manchmal ein Foto, bei dessen Anblick mich jeweils eine richtige HeimwehWelle überschwappt. Wie die 6 Enkel im Rasen unseres Gartens. 

Di, 10.7.2017, Nizhneudinsk, 155 km. Wetter: Nebel, Hochnebel, NebelRieseln, 15°. Unterkunft: HOTEL UDA, sFr 28.—.

Abfahrt war um 6 Uhr, das Wetter war ausgesprochen trüb und nass, die Landschaft bestand aus einer Welle nach der andern auf Höhenlagen zwischen 300 und 500 müM, was immerhin fast 2000 HM verursachte. Es gibt fast nur noch Wald, die Fahrt war somit sehr eintönig. Immerhin fand ich eine Unterkunft in einem alten SovjetBlock, der in keinster Weise als Hotel zu erkennen war. Da ich unterwegs eine Suppe gegessen hatte verpflegte ich mich auf dem Zimmer mit DanoneJogurt, Pringles,  Toffifee und natürlich mit Bier aus dem danebenliegenden Laden. 

Mo, 9.7.2018, Tayshet, 167km. Wetter: Hochnebel, 20°. Unterkunft: ??, sFr 14.—. Mein Geburtstag. 

Nach dem gestrigen halben Ruhetag startete ich wieder um 5 Uhr. Dabei sparte ich mir die Sorge nach einem Ziel. Ich fuhr ganz einfach los und liess mich überraschen. Wie ich aus der Wetterprognose ersehen konnte fahre ich in wieder wärmeres und schöneres Wetter hinein. In einem schönen Restaurant erhielt ich nur ein sehr billiges Zimmer in einem Holzschopf, wobei Dusche und Toilette in einem andern Holzschopf untergebracht sind. Ich schlafe wieder einmal im Schlafsack. 

Irgendwann wurde mir automatisch die Uhr wieder um eine Stunde vorgestellt, ich bin nun also 5 Stunden vor der Schweizer Zeit. 

So, 8.7.2018, Kansk, 73 km. Wetter: Wechselnd bewölkt, 20°. Unterkunft: Hotel Yug, sFr 23.—.

Nachdem es gestern ziemlich spät geworden ist fuhr ich heute morgen erst um 7 Uhr ab, denn ich würde nur bis Kansk fahren. Mir fielen hier vor allem die grossen Ackerfelder auf, die gerade erst gepflügt werden. Ich frage mich, was da zu dieser späten Jahreszeit noch angesäht resp. vor dem frühen sibirischen Winter geerntet werden kann. In Kansk kam ich um 11 Uhr an und wurde in zwei Hotels abgewiesen, trotzdem die Hotels unmöglich voll waren. Am 2. Ort blieb ich so hartnäckig, dass die Dame resignierte und mir ein Zimmer gab. Es muss irgend etwas mit dem heutigen Datum zu tun haben oder mit Übernachtungen von Sonntag auf Montag. Oder etwas mit meinem Geburtstag morgen :). Auf meinem Bummel durch die nicht gerade anmächelige Stadt sah ich zum ersten Mal in Russland ein SushiRestaurant. Wie schon in ZentralAmerika enthalten alle Sushis Streichkäse. Das ist zwar gewöhnungsbedürftig aber gut. Aber mir ist schon lange aufgefallen, dass Sushi immer mehr zur konfektionierten, tiefgekühlten Massenware verkommen ist. 

Sa, 7.7.2018, Borodino, 175 km. Wetter: Wechselnd bewölkt, 20°. Unterkunft: Motel Yota, sFr 38.—.

In Vorfreude gab ich heute Morgen ein Novotel in Irkutsk ins Navi ein. Aber eben, bis dahin geht‘s noch 1080 km, so etwa von Wetzikon bis Rom und noch etwas darüber hinaus. Somit startete ich um 5 Uhr und fuhr durch eine sehr schöne HügelLandschaft, einem Ausläufer eines Bergmassivs im Süden mit fast 3000 m Höhe. Ich bewegte mich immer auf Höhenlagen zwischen 300 und 500 müM und kumulierte dabei über 2100 HM. 2/3 der Landschaft sind Wald, der Rest Wildwiese und etwas Ackerbau. Auch heute pokerte ich wieder hoch. Ein Hotel bei km 130 liess ich aus, trotzdem ich bei einem bei etwa km 170 keine Ahnung hatte, ob es überhaupt existierte. Aber ich hatte Glück, es existierte. 

Heute habe ich den 5000 km durchfahren. 

Fr, 6.7.2018, Krasnoyarsk4. Wetter: Bedeckt, Regen, 15°. 

Heute gab’s eine Premiere. Ich bin noch nie wegen schlechtem Wetter in einem Hotel geblieben. Schon während der Nacht pöpperlte der Regen auf meinen Fenstersims. Um halb fünf läutete der Wecker. Es regnete, aber was mich dazu bewogen hat nochmals einen Tag hierzubleiben war die WetterPrognose: Durchgehender Regen bis in die Nacht hinein. Ausserdem rechnete ich damit, heute zelten zu müssen. 

Es gibt nicht viel zu sehen in dieser Stadt und so blieb ich meist im Hotel und lernte viel über Russland und Sibirien über das perfekt funktionierende Internet. Früher hätte man 12 Bände Brockhaus Lexikas mitschleppen müssen, heute reicht mein iPhon. Aber morgen fahre ich unter allen Titeln weiter. 

Do, 5.7.2018, Krasnoyarsk3. Wetter: Bewölkt, teilweise Regen, 18°. 

Krasnoyarsk ist eine Stadt mit einer Million Einwohner. Die riesige IndustrieAnlage vorgestern neben meiner Unterkunft in Achinsk ist die zweitgrösste AluminiumHütte der Welt. Der Strom für die AluminiumGewinnung stammt aus einem Wasserkraftwerk am aufgestauten Jenissei-Fluss mit einer Leistung von sage und schreibe 6 GigaWatt (ein schweizerisches AKW hat etwa 1 GW). Nahe der Stadt liegt eine der weltgrössten unterirdischen Industriekomplexe der Welt in denen bis heute in drei PlutoniumReaktoren Material für das russische KernwaffenProgramm gewonnen wird. 

Aber nun etwas völlig anderes: Die Welt in dieser Gegend, ennet des Urals war brutal, brutal, brutal. Das Land ist gepflastert mit Blut und mit Tränen und mit Erfrierungen und mit Entbehrungen und mit Verhungerungen und mit Erschöpfungen und mit totaler Hoffnungslosigkeit und mit der Suche nach den Eltern und mit der Suche nach den Kindern und mit allem Bösen, das Menschen andern Menschen antun können. Es ist dies wohl die grässlichste Gegend auf der ganzen Welt während der letzten hundert Jahre. Ich werde noch mehr darüber lernen. Ich fahre jeden Tag durch diese Landschaften und stelle mir vor, was Menschen hier erlitten haben. 

Während der 1930-er Jahre wurden unter Stalin Millionen Menschen (Schätzungen gehen von 20 Millionen aus) direkt ermordet oder sie wurden umgesiedelt und starben dabei, vorwiegend nach Sibirien und Kasachstan, darunter etwa eine Million DeutschStämmige. Noch verstärkt wurden die Deportationen mit dem Vormarsch der Deutschen Armee nach Russland im 2. Weltkrieg. Die Leute wurden in ViehWagons vor allem der Transsibirischen Eisenbahn genau in diese Gegenden verfrachtet, wo ich durchfahre und einfach in die Landschaft ‚gekippt‘ (JahresDurchschnitts-Temperatur -2°). Während des Vormarsches der Deutschen wurden auch viele Fabriken, vor allem ein Grossteil der RüstungsIndustrie hinter den Ural verfrachtet. Darum gibt es in den Städten Sibiriens, die ich besucht habe viele IndustrieBetriebe. 

Morgen fahre ich weiter nach SüdOsten Richtung Irkutsk am BaikalSee. 

Mi, 4.7.2018, Krasnoyarks2, Ruhetag. Wetter: Bedeckt, Regen, 15°. 

Nach dem gestrigen, heissen 14-StundenTag hatte ich diese Nacht erstmals richtige Probleme mit Krämpfen in den Beinen. Ich schluckte einige meiner elektrolytischen MineralienKapseln, vor allem aber trank ich meine gesamte EisteeReserve, volle 2 Liter leer. Damit kam ich über den gestrigen Tag auf 7 Liter Flüssigkeit. Danach konnte ich schlafen und war froh über meinen heutigen Ruhetag. 

Gestern merkte ich aber, dass generell etwas nicht stimmte. 10 km vor dem grossen Gewitter hatte ich zweimal hintereinander Schwindel (ein katastrophales Erlebnis auf dem Velo), das hatte ich noch nie gehabt. Ich konnte noch anhalten, stieg sofort ab, ass ein Snickers und trank einen halben Liter Eistee. Ich war offensichtlich ganz massiv unterzuckert, gepaart mit einem grossen FlüssigkeitsMangel. Ich muss also etwas dagegen unternehmen. Das Einzige, das wieder normale Verhältnisse schafft ist —- dass ich nichts unternehme. Ich bleibe noch eine dritte Nacht hier und das Velo in der Garage, ich fahre keinen Meter. 

IEinen zusätzlichen Ruhetag kann ich mir ja auch leisten. Ich bin hier, bei der Hälfte meiner Reise etwa 10 Tage vor meinem Fahrplan. Die Zuhilfenahme der TransSibirischen Eisenbahn zur Erreichung meines Ziels ist wohl vom Tisch, ich werde mit dem Velo durchfahren. Die langen TagesEtappen machen mir allerdings Sorgen. Ein Durchschnitt von 170 km (gegenüber 125km bis anhin) pro aktivem Velotag glaubt mir mittlerweile keiner mehr, in Velokreisen werde ich wohl langsam unglaubwürdig. Und ich schaue diesbezüglich mit einiger Sorge in die Zukunft. Die Unterkünfte werden sicher noch spärlicher, die VeloDistanzen kaum kürzer. Und zelten mit HundertTausend Mücken finde ich alles andere als romantisch. Aber eben, Abenteuer heisst auch: Ich habe keine Ahnung, was als nächstes passiert und wo ich die nächste Nacht verbringe. 

Von Krasnoyarsk habe ich heute nicht nicht viel gesehen. Ich war vor allem auf der Suche nach einem neuen Pullover, den alten habe ich in Achinsk liegen gelassen. Im Übrigen schreibe ich und lese vor allem die NZZ‘s der letzten Tage, wobei ich enttäuscht zur Kenntnis nahm, dass nach Deutschland und Spanien auch die Schweiz, als dritter MayorPlayer ???? aus der WM geschieden ist. 

Di, 3.7.2018, Krasnoyarsk,183 km. Wetter: Schön und sehr warm, über 30°, am Abend heftige Gewitter. Unterkunft: Novotel, sFr 100.—.

Auch heute startete ich wieder um fünf Uhr bei langanhaltendem Nebel, während Stunden über welliges, fast hügeliges Gelände und fast ausschliesslich durch Wald. Dann wurde es flacher und auch wieder landwirtschaftlich bebaut. Die Sonne brannte und es wurde fast schon heiss. Ab etwa zwei Uhr verfolgte mich wieder einmal eine GewitterFront. Sie kam zwar langsam, aber sie kam und 10 km vor meinem Ziel, dem Hotel IBIS holte es mich ein. Ich konnte mich gerade noch unter das Dach einer Tankstelle retten, mein Gepäck und mich selber ‚regensicher‘ machen, als es richtig losliess. Das TankstellenDach nützte nicht viel, es regnete ohnehin fast horizontal und das in Mengen, dass in kürzester Zeit die Strassen total überschwemmt waren und das in dichten, städtischem Abendverkehr. Ich verliess dann die Tankstelle und schlängelte mich durch Verkehr und Überschwemmungen, meist die Schuhe zwar auf den Pedalen aber trotzdem im Wasser und das durch viele Löcher in der Strasse, die ich aber nicht sah. 

Das Hotel IBIS war voll, aber ich fand ein Zimmer im Novotel im gleichen GebäudeKomplex. Morgen bleibe ich einen Tag hier. 

Mo, 2.7.2017, Achinsk, 192 km. Wetter: Schön und sehr warm, über 30°. Unterkunft: Motel M53, sFr 37.—.

Ich startete also um fünf Uhr bei vorerst dichtem Nebel. Danach wurde es sehr warm, wunderbar auf dem Velo mit dem Fahrtwind. Eine hügelige Landschaft wurde von einer langwelligen abgelöst mit endlosen, bebauten Feldern. Auf Sichtweite von 10 km war über 50/70 km nie ein Haus zu sehen verschwiegen denn ein Dorf. Wer diese riesigen Felder bewirtschaftet ist mir ein Rätsel. Vor Achinsk gab es grosse AbraumHalden und KohleKraftwerke. Da müssen irgendwo riesige Löcher klaffen. Genau am Rande eines rauchenden KohleKraftwerk fand ich eine Unterkunft. Daneben ein Restaurant und einen Laden, wo ich mich für morgen wieder eindecken konnte. Auch morgen starte ich wieder um 5 Uhr, damit ich zu einer christlichen Zeit in Krasnoyarsk ein Hotel finde. Ich glaube es gibt ein IBIS, ich freue mich darauf. 

So, 1.7.2018, Mariinsk, 170 km. Wetter: Wechselnd bewölkt, am Morgen Regen, 25°. Unterkunft: Hotel White Stone, sFr 30.—.

Zwischen Kemerova und Mariinsk würde es keine Unterkunft geben (hatte es dann auch nicht), also musste ich bis Mariinsk fahren, wo mir  mein Navi 4 Hotels anzeigte. Also fuhr ich sorgenfrei nach NordOsten. Allerdings realisierte ich sehr schnell, dass ich mich durch eine HügelLandschaft bewegte mit vielen Aufstiegen und Abfahrten mit über 2000 kumulierten HöhenMetern. Ich kam also viel langsamer vorwärts als die letzten Tage und die angezeigten 165 km erschienen mir unmöglich zu erreichen. Nach etwa 100 km verflachte sich die Topografie aber wieder und ich gab so richtig Gas. Um 6 Uhr erreichte ich das Dorf. A propos Dorf, das war ein grösseres Kaff und erst das 3. ‚Hotel‘ erwies sich als solches. Ich war sehr erleichtert. Im gleichen Gebäude gab es sogar eine Bar (leer) und ein Restaurant im ersten Stock. Das hätte ich gar nie gefunden, hätte mich nicht die ‚Hoteliere‘ persönlich dahin geführt. Ich war der einzige Gast. Ich bestellte wie üblich eine Fleisch/GemüseSuppe mit Brot und einen Salat. Da es auch morgen nach allen Erfahrungen keine Unterkunft an der Strasse haben wird, werde ich Achinsk erreichen müssen, eine Distanz von 190 km. Ich werde somit um 5 Uhr starten. 

Sa, 30.6.2018, Kemerova, 182 km per Velo, 80 km per PickUp. Wetter: Wechselnd bewölkt, 25°, starke Gewitter, 20°. Unterkunft: Hotel Tomb, sFr 110.—.

Erstmals seit dem Ural fahre ich wieder durch hügelige Landschaft, immer zwischen 130 und 230 müM. Die Landschaft wurde auch wieder fruchtbarer. Am Morgen war es schön und warm. Gegen Mittag allerdings verfolgte mich eine Gewitterfront hinten rechts mit grossem Donnergegroll etwa zwei Stunden bis sie mich überholte. Dann aber wähnte ich mich in einem Hexenkessel. Blitz und Donner wechselten sich ab und der Regen war so schwer, dass er meine Regenkleidung durchschlug. Das hält kein GoreTex aus. Nach einer guten Stunde kam die Sonne und die Kleider trockneten wieder aus. 

Ich fuhr weiter und weiter und weiter. Es gab nirgends eine Unterkunft. Einer bot mir eine Schlafstelle an, aber ich verliess den Ort angeekelt wieder. Das war noch eine grosse Kategorie unter meiner bis anhin scheusslichsten Höhle in Irkestam, an der Grenze von Kirgistan zu China. Aber eben es gab noch immer keine Unterkunft und so fuhr ich weiter. Um 19 30, etwa 80 km vor Kemarovo hielt ein PickUp. Der junge Fahrer war offensichtlich so begeistert vom Schweizer, dass er wendete, mein Velo auf die Brücke lud und mich nach Kemerova, einer HalbMillionenStadt, fuhr. Er war ein YouTuber. Mit seinen paar EnglischWörtern fand er immer etwas über mich heraus und machte sofort einen YouTube-Artikel draus, der sofort im Netz ist, parallel zum Fahren, versteht sich. So vagabundiere ich also nicht nur real durch Russland, sondern auch noch virtuell durchs russische Netz. Nach langem Suchen auf seinem Handy ertönte in voller Lautstärke die Schweizerische NationalHymne. Sehr aufmerksam. Mein Fahrer fuhr mich direkt zum besten Hotel der Stadt direkt am Fluss. 5 Sterne hätten’s ja nicht sein müssen. Aber eben, es war ja schon neun Uhr, wobei es ja schon fast an Verschwendung grenzt, all die Annehmlichkeiten des Hauses nicht zu benutzen und schon nach 9 Stunden das Hotel wieder zu verlassen. Ich besuchte nicht einmal das Restaurant und verpflegte mich ‚aus dem Rucksack‘. 

Zwischen Novosibirsk und Kemerova, auf 260 km, also so etwa von Zürich bis Lausanne, hatte es kein einziges Hotel an der Strasse. Das wird mir wohl noch einige Sorgen bereiten. 

Fr, 29.6.2018, Novosibirsk2, Ruhetag. Wetter: Schön und warm, 25°. 

Novosibirsk ist die dritt-grösste Stadt Russlands nach Moskau und St. Petersburg mit 1.5 Mio Einwohnern und liegt am Ob, einem Fluss, der ein Einzugsgebiet der 8-fachen Fläche Deutschlands aufweist. 

Nach langem Durchfragen fand ich einen Coiffeur mit folgender EinzelAbrechnung: Haare schneiden 2Fr, Bart stutzen 2Fr, AugenBrauen und Ohren 1Fr. Ich sehe geradezu wieder zivilisiert aus. Aber gerade viel zu sehen gibt es nicht in dieser Stadt und genau darum liebe ich an Ruhetagen komfortable Hotels wie dieses mit einer kompletten InfraStruktur. Nur das FitnessZentrum konnte ich wegen meinem havarierten Arm nicht benutzen. 

Do, 28.6.2018, Novosibirsk, 185km.  Wetter: Wechselnd bewölkt, 25°, Südwind. Unterkunft: ParkHotel run by Radison, sFr 67.—.

Ich startete bei Nebel schon um fünf Uhr, denn ich erwartete Gegenwind für über 180 km. So ziemlich genau bei meinem 4000-sten Kilometer hielt ein Camper aus Neuchâtel. Das ältere Ehepaar ist mit Bernern und Walisern, ebenfalls mit Campern unterwegs durch Russland und die Mongolei nach Peking. 

Schon auf StadtGebiet von Novosibirsk sah ich vor mir eine riesige Rauchwolke. Dann realisierte ich, dass diese Wolke auf mich zukam. Neben mir waren die Geleise der elektrifizierten TransSib. Es kam ein Ungetüm einer Lokomotive aus den 50-erJahren des letzten Jahrhunderts. Was dieser Motor verbrennt ist mir schleierhaft, es rauchte ganz einfach fürchterlich. Etwa 10 km vor dem StadtZentrum musste es ja einmal passieren. Ich übersah eine Delle mit seitlichem Randstein und fiel ab dem Velo. Es blieb bei einer grösseren Schürfwunde am Ellbogen. Ich sollte wohl etwas langsamer durch die Städte fahren. Anfangs der Innenstadt sah ich ein grosses Hotel, das ParkHotel run by Radison. Genau das suchte ich für meinen morgigen Ruhetag. Ein sehr konfortables Zimmer, ein schönes Restaurant mit gutem Essen (heute, wie meistens, ein CeasarSalat), PaulanerBier und ein PinotGrigio. Zwar brannte meine EllbogenSchürfung stark, aber ich war so zufrieden mit mir und der Welt, dass der Schmerz zweitrangig war. Allerdings musste ich die Wunde ernsthaft verbinden, denn ich konnte ja nicht das ganze Bett verkleckern. Morgen bleibe ich also hier, die Wunde heilt dann wohl wieder. 

Heute habe ich den 4‘000-sten Kilometer durchfahren. 

Mi, 27.6.2018, Kargat, 134 km. Wetter: Schön, 27°, Ostwind. Unterkunft: Motel ??, sFr 24.—.

Im Laufe der Nacht zog DonnerGroller auf, der Regen hielt sich dann aber in Grenzen. Ich hatte schlecht geschlafen, trotzdem stand ich um 5 30 auf und entdeckte die Vorhut meines Feindes in Form von 100 Mücken durch den ZeltHimmel. Ich wagte mich dann in Kampfmontur nach draussen, wo 10‘000 dieser Dinger auf mich warteten. Gegen 6 30 startete ich und hoffte nur, heute wieder eine feste Unterkunft zu finden. Ich fand eine und sie war nicht voll besetzt. Einfach zwar, aber ich konnte wieder alles sauber waschen. Morgen hoffe ich Novosibirsk zu erreichen. 

Di, 26.6.2018, Barabinsk, 212 km. Wetter: Schön, 25°, Nordwind.  Unterkunft: Zelt. 

Viel gibt‘s nicht zu berichten: Schöne Strasse, mittlerer Verkehr, immergleiche Landschaft. Bei Km 130 fuhr ich an einem Motel vorbei. Ich spekulierte auf eines etwa 40 km weiter, das aber nicht existierte. So fuhr ich bis 21 Uhr (eigentlich nur bis 20 Uhr, denn heute wurde die Uhr wieder eine Stunde vorgestellt) weiter zu einem Motel an der Strasse.  Eine lange Strecke, diesmal allerdings ohne RückenWind, sondern mit neutralem Seitenwind aus Norden. Aber das Motel war voll, keine Chance. Eines in etwa drei km Entfernung ebenfalls. So blieb mir nichts anderes übrig, als neben dem Motel das Zelt aufzuschlagen, zusammen mir zwei TöffFahrern aus Holland, denen es gleich erging. Zelt- Aufstellen ging nur mit vollständiger RegenBekleidung incl. zugeknöpfter Kapuze und Handschuhen, die MückenPlage ist gigantisch. Zum Glück konnte in mit den Fernfahrern duschen und im Restaurant kriegte ich eine Pilzsuppe und zwei Dosen Bier. Es war also nur Camping Light, denn waschen wäre in diesen MückenSchwärmen illusorisch gewesen. Die zweite Dose Bier nahm ich ins Zelt, trank sie aber nicht mehr, denn wie ich in Gesellschaft von Tausend Mücken hätte pissen gehen können mochte ich mir gar nicht vorstellen. Es ging dann aber doch nicht ganz ohne, ich trank somit einen JogurtDrink leer, machte einen Refill der komplizierteren Art und wähnte mich wieder glücklich, ein Mann zu sein. 

Ab heute ist meine Zeit also 4 Stunden vor der schweizerischen . Hätte Russland die Sommerzeit nicht wieder abgeschafft wäre die Zeitverschiebung 5 Stunden (Normzeiten). 

Mo, 25.6.2018, Ivanovko. Omsk-Ivanovko, 133 km. Wetter: Schön, ab Mittag bedeckt, Regen, 15,20,15°, NordOstWind. Unterkunft: Motel ??, sFr 20.—.

Anfänglich schönes und warmes Wetter, allerdings, erstmals seit langem mit Gegenwind. Mitte Nachmittag durchfuhr ich eine Gewitterfront, die in einen Landregen überging. Die verkehrsarme Phase durch Kasachstan war allerdings vorüber. Allerdings herrscht auf der asiatischen Seite des Urals wesentlich weniger Verkehr als auf der europäischen. Ich wusste um dieses Motel und war froh, dass es tatsächlich existierte, denn ich war völlig durchnässt als ich ankam.

So, 24.6.2018, Omsk2. Ruhetag. Wetter: Schön, 25°. 

Auch den heutigen schönen und warmen Sonntag genoss ich in den weitläufigen Pärken und Restaurants und bereite mich vor für die Etappe nach Novosibirsk. Aber eben, der Wind kehrt. Hatte ich bis hierher meist Westwind und tiefe Temperaturen 10-15°), kämpfe ich die nächsten Tage gegen Wind aus dem Osten mit weiterhin viel Regen und Gewittern, allerdings bei deutlich höheren Temperaturen. 

Sa, 23.6.2018, Omsk, 153km. Wetter: Wechselnd bewölkt, 23°, Westwind. Unterkunft: Hotel Malibu, sFr 61.—.

Auf bester Strasse, mit wenig Verkehr und ohne Regen erreichte ich heute Omsk schon Mitte Nachmittag und fand auch sofort ein ziemlich fantasievolles Hotel. 

Ich war schon im Zentrum der Stadt und besuchte in der HauptBasilika einen koptischen Gottesdienst. Die Kirche war fast voll besetzt, alle standen, es gab nur wenige Sitzplätze am Rand. Ausnahmslos alle Frauen trugen Kopftücher in allen Farben. Die Beichte wurde offen von zwei Priestern abgenommen. Ich war sehr angetan von der frommen und feierlichen Zeremonie von Priester und einem kleinen Kirchenchor und von der Atmosphäre in der schönen, grossen Kirche. Auf dem abgesetzten GlockenTurm spielten draussen zwei Männer ein Spiel, indem sie die Klöppel der Glocken mit Seilen an die Glocke anschlugen. So konnten sie eine richtige Melodie spielen. 

Ich schlenderte weiter an diesem wunderschönen, warmen Abend durch die grossen, schönen und wie immer blitzsauberen Parkanlagen. An mehreren Orten wurde musiziert, gesungen und getanzt. Besonders anmutig fand ich ein etwa 15-köpfiger Chor mit InstrumentalBegleitung die in hoher Qualität russische Lieder sangen - und das erst noch in ‚feinem Gewand‘. Manchmal kamen mir fast die Tränen. Morgen bleibe ich einen Tag hier. 

Fr, 22.6.2018, Isilkul. Petropavlovsk-Grenze zu Russland-Isilkul, 164 km. Wetter: Wechselnd bewölkt, über Mittag Gewitter, Südwind dann Westwind. Unterkunft: Hotel ??, sFr 46.—.

Ich fuhr auf meist guter Strasse bei sehr wenig Verkehr durch immer gleiche Landschaften zur Grenze nach Russland. Ohne Probleme kam ich durch und erkundigte mich nach einer Unterkunft. In 17 km hätte es eine. So war es dann aber nicht und ich wurde in ein Dorf im Süden geschickt. Aber dort kam auch nichts. Ich fragte und fragte bis sich wieder einer bereit erklärte, mich zu einem Hotel zu lotsen.  Es lag in einem abgelegenen Industriegebiet. Nichts war angeschrieben, nicht einmal das Hotel selber. Ich hätte das nie gefunden. Aber das Zimmer war gut, da es allerdings nichts zu essen gab kaufte ich Jogurt, Chips und Bier im nahegelegenen Laden, schloss mich ein und hatte einen friedlichen Abend. 

Do, 21.6.2018, Petropavlovsk (Kas). Kurgan-Grenze zu Kasachstan-Petropavlovsk(Kas), 88km. Wetter: Bedeckt, 20°, Südwind. Unterkunft: Hotel GreenWhich, sFr 75.—.

Vergessen: Gestern habe ich den 3000-sten Kilometer durchfahren. 

Die ganze Nacht hörte ich Züge der Transsibirischen Eisenbahn ganz in der Nähe durchfahren. Auch diese führt über kasachische StaatsGebiet und tagsüber sah ich die Züge ebenfalls. Sie sind meist etwa 200-300 m lang und fahren mit etwa 60 km/h und es hat deren viele. 

Schon gestern wurde der Verkehr auf meiner Strasse immer geringer. Über die Grenze werden nur sehr wenige Lastwagen und Autos abgefertigt. Ich wunderte mich darüber, ist doch diese Strasse der direkteste Weg von West nach Ost. Russland und Kasachstan sind wie Usbekistan und Kirgistan GUS-Staaten, das heisst, sie sind in einer Organisation vertreten, die ein Pendent zur EU sein sollte, ua auch mit offenen Grenzen. Vor einem Jahr stellte ich fest, dass zwischen Usbekistan und Kirgistan überhaupt kein Grenzverkehr stattfindet. Bei GUS (Gemeinschaft unabhängiger Staaten) scheint etwas schief zu laufen. Die 2 km lange Strasse zwischen den Grenzstationen gleicht zeitweise einem Trümmerfeld. Na ja, sie wird ja auch nicht gebraucht. 

Auch die Strasse in Kasachstan bis Petropavlovsk war über weite Distanzen sehr schlecht. Immerhin bauen sie daran. Etwa 30km fuhr ich somit auf provisorischen Pisten und ich wünschte mir manchmal, ich hätte ein Fully, auch wunderte ich mich, wie schon so viele Male, über die Robustheit meines Velos, dh über das Ausbleiben eines Rahmenbruches. 

In der Stadt fuhr ich geradewegs in ein schönes Hotel und freute mich über den halben Ruhetag. Ab dem Hotel schlenderte ich durch die längste ParkPromenade, die ich je gesehen hatte, war dann aber froh, knapp vor dem NiederPrasseln eines Gewitters wieder am Schärmen zu sein. Wie fast immer bin ich der Einzige im üblicherweise schönen HotelRestaurant. Ich hatte wie fast immer einen Ceasar-Salat, so komme ich ab und zu zu etwas Grünem. 

Mi, 20.6.2018, Irgendwo (etwa 30 km vor Grenze zu Kasachstan), 197 km. Wetter: Leicht bewölkt, 23°, Westwind. Unterkunft: Hotel Magnat, sFr 28.—.

Jeder, der solche Distanzen fährt wird normalerweise als verrückt erklärt. Aber mein Westwind ist ein grosser Helfer, fast seit Anbeginn meiner Reise. Auch heute fuhr ich bei recht schönem und angenehm warmem Wetter (welch ein Unterschied zu den letzte zwei kalten und nassen Wochen!) durch und kehrte nur einmal für einen Kaffee und einen HotDog ein und um StudentenFutter und Wasser nachzukaufen. Ein KaffeeNachbar erkannte das SchweizerWappen auf meinem Tricot. Er war ganz begeistert von meiner Reise, ich glaube aber, noch mehr bewunderte er die SchweizerLeistung gegen Brasilien, 1 zu 1, sensationell. Natürlich liess er sich mit mir ablichten. Dann wollte dies eine Schulklasse aus einem Bus auch. Schweiz:Brasilien muss ein RiesenHammer sein. Ich diente wohl mehr als Maskottchen. 

Irgendwann kam ein Zeichen für ein Hotel nach 20 km. An einer Kreuzung, wo ich es vermutete, war aber nichts. Ich steuerte auf zwei Uniformierte zu und fragte nach einem Hotel. Einer redete mir den Kopf voll, bis er realisierte, dass ich rein gar nichts verstand. Da bedeutete er mir, seinem Auto zu folgen. Wir fuhren nach Süden gegen ein Dorf, dann in einen Feldweg übelster Sorte durch eine einzige SumpfLandschaft. Ich sah dann ein Haus vor mir, das tatsächlich wie ein Haus aussah. Ich bedankte mich bei meinem Lotsen und fuhr vor das Haus, das sich wirklich als eine Art Hotel entpuppte. Es war auch nicht gerade billig, aber das Zimmer war gut. Erstaunlich. Morgen muss ich wieder aus diesem Sumpf zurückfinden. 

Heute habe ich den 3000-sten Kilometer durchfahren.

Di, 19.6.2018, Kurgan2, Ruhetag. Wetter: Wechselnd bewölkt, 22°. 

Es scheint wärmer zu werden. Dies, nachdem ich seit fast zwei Wochen immer in Regenhosen, Windjacke und Handschuhen bei Temperaturen von 10° (am Morgen und bei Regen) und 15° gefahren bin. Das ist eine positive Nachricht. Die zweite positive Nachricht ist: Der Westwind bleibt mir erhalten. 

Auch die Innenstadt Kurgans ist langweilig. Es gibt nichts Aufregendes zu sehen. So schlenderte ich also stundenlang durch die Strassen, nur unterbrochen durch das Vibrieren meiner Uhr, die mir gratulierte, schon wieder 10‘000 Schritte absolviert zu haben. Ich studierte am Internet Sibirien, wo ich mich seit der KontinentGrenze im Ural befinde und bis Vladiwostok noch einige Zeit bewegen werde. 

Morgen muss ich mich entscheiden, ob ich meine Reise über einen nördlichen Umweg, über Ishim, oder über die direkte, südliche Strasse, allerdings durch Kasachstan nehmen werde. Da ich für Kasachstan kein Visum benötige und ich für Russland zwei Eintritte habe werde ich mich wohl für Kasachstan entscheiden. A propos Kasachstan: Vor gut 25 Jahren erhielt ich von Intertreck den Auftrag, TrekkingMöglichkeiten in Kasachstan zu erkunden. Es war die Zeit, als Gorbatschow mit Glasnost und Perestroika solche Erkundungen ermöglichte und sogar unterstützte. Ich habe in der Folge drei TreckingVorschläge rekognosziert: Im TalgarGebirge östlich von AlmaAta, im TienShanGebirge nördlich von Taschkent und im AltaiGebirge, dem GrenzGebiet von Kasachstan/Sibirien/China/Mongolei. In AlmaAta (heute Almaty) wurde mir von sowjetischer Seite ein Igor Tkatchev mit guten EnglischKenntnissen zur Seite gestellt. Diesen Igor habe ich immer elektronisch zu erreichen versucht. Mit Hilfe von FaceBook seitens meines Sohnes Roman  erreichte er mich über Mail vor einigen Tagen. Er schickte mir einige Fotos von meinem Besuch damals. 

Gestern fuhr ich durch ein sehr dreckiges IndustrieQuartier mit einem GrossKraftwerk. Nun ist es ja löblich, dass man die Abwärme des Kraftwerks für ein FernheizSystem der Stadt verwendet. Auf meinem Walk durch die Stadt sah ich immer diese grossen Rohre (wie schon vor 25 Jahren in Almaty) mit völlig zerstörten Isolationen. Wieviel Wärme da im sibirischen Winter noch in die Häuser gelangt ist mir ein Rätsel. 

Mo, 18.6.2018, Kurgan, 97 km. Wetter: Bedeckt, am Morgen Regen, 10°, Nachmittag Aufhellungen, 15°. Westwind. Unterkunft: Hotel Moskau, sFr 28.—.

Schon die ganze Nacht durch pöpperlte der Regen auf das Blechdach vor meinem MiniMiniZimmer. Ich war auch auf Kälte gefasst und zog die lange Unterwäsche über. Damit ich nirgends anhalten musste trank ich einen halben Liter TrinkJogurt, das würde mich bis Kurgan durchhalten. Durchgehalten hat auch der Regen und da mich mein Navi die letzten 15 km wieder einmal durch fast nicht mehr fahrbare Strassen lotste strotzten Velo, meine Regenhosen und die Saccochen-Überzüge geradezu von Dreck. Das Rot an meinem SchweizerFähnchen war kaum mehr als Solches zu erkennen. Nach langem Suchen checkte ich in einem passablen Hotel ein (etwas Schönes gibt es in dieser Stadt wohl nicht). Ein Hotelbursche brachte mir einen Kübel Wasser und einen Schwamm, damit ich alles wenigstens einigermassen säubern konnte. Ich war dank ‚meinem‘ Westwind schon um 11 30 im Hotel, hatte dadurch also einen halben Ruhetag. 

Aber eben, von wegen Ruhetag: Schon seit Tagen wurde ich wegen meines Wechsels immer unruhiger. Er lief nicht mehr rund und knirschte immer stärker. Ich selber konnte nichts Irreguläres erkennen. Mit einem Taxi fuhr ich zu einem VeloMech und der fing an auszumessen. Die Kette war total verzogen und die hinteren Kränze abgenutzt. Sie ersetzten alles und der Spuk war vorbei. Ich muss ernsthaft mit Markus Merkli (meinem Velomech) reden: Es war alles neu und nun dies nach lächerlichen 3500km (China und Russland)! Die drei Mechaniker und eine Frau, alle gegen dreissig, parlierten mit mir per BildschirmTelefon mittels einer Übersetzerin und wurden immer angefressener betreffend mir und meiner Reise(n). Schlussendlich weigerten sie sich, für die aufwändige Reparatur auch nur eine Kopeke anzunehmen. Dies, nachdem schon der TaxiDriver partout keine Bezahlung annehmen wollte. 

In einem Restaurant bestellte ich einen Burger. Den DoppelBurger mochte ich nur zur Hälfte. Die junge Serviertochter fragte mich über ihr Übersetzungsprogramm unter Anderen: Sind sie ein Writer (Schriftsteller)? Mit so einem weissen Bart sieht man scheinbar sehr gebildet aus, oder weise. Na ja, ich nehm‘s zur Kenntnis. 

Morgen mach ich einen Ruhetag, trotzdem es in dieser Stadt (330’000 Einwohner) kaum etwas Interessantes zu sehen gibt. Ich ruhe dann eben des Ruhens wegen. 

So, 17.6.2028, Mishkino, 179km. Wetter: Wechselnd bewölkt, 15°. Unterkunft: Motel ??, sFr 18.—.

Ich hatte heute eine mehrheitlich gute, zweispurige Strasse mit weniger Verkehr als bis anhin. Anfänglich fuhr ich durch eine grosse SeenLandschaft, dann durch endlose Heide mit wenig Wald. Mit der Zeit wurde das Land wieder bebaut, die Kornfelder messen sich nicht in Hektaren, eher in QuadratKilometern. Am Morgen fuhr ich eine Stunde durch Nieselregen, am Nachmittag wurde es freundlicher. Eine Unterkunft zu finden war wiederum eine Nervensache und ich musste wieder einmal sehr lange fahren, um noch eine zu finden. 

Sa, 16.6.2018, Chelyabinsk, 141 km. Wetter: Bewölkt, 15°, Westwind. Unterkunft: Hotel Radison, sFr 101.—.

Aufgrund des gestrigen sehr strengen Tages mit entsprechend spätem Abend startete ich heute morgen erst um 7 Uhr. Gestern habe ich offensichtlich den ganzen Ural überfahren, denn heute landete ich nach einem kleinen Übergang wieder in langwelligem Gelände. Da die M5 in eine Autobahn überging machte ich einen ziemlich grossen Umweg auf einer Nebenstrasse nach Norden, auf schlechterer Strasse zwar, aber mit viel weniger Verkehr. Anfänglich durch riesige HochMoorGebiete oder Heide (50 mal Rothenturm) danach durch ebenso riesige landwirtschaftlich angebaute Gebiete. Auch heute wurde ich unterwegs wieder geduscht, aber meist blieb es trocken.  Die wenigen Dörfer, die ich durchfuhr waren ziemlich ärmlich und völlig zersiedelt. In mein Navi habe ich ein RadisonHotel eingetippt und fuhr dieses fadengerade an.

Manchmal kostet ein Abend zwar etwas mehr, aber da ich ziemlich früh ankam genoss ich das geruhsame Bier, den sensationellen SalatTeller mit einem Glas Weisswein und das tadellos funktionierende W-Lan. So konnte ich wieder die fehlenden Ausgabe der NZZ runterladen und meine täglichen Berichte samt Bildern in meine HomePage hochladen. Und ich hatte erst noch Zeit, die Zeitungen zu lesen. Die elektronische Verfügbarkeit von Zeitungen ist ein enormer Fortschritt, den man erst ermessen kann, wenn man keinen Kiosk in der Nachbarschaft hat. 

Fr, 15.6.2018, Irgendwo. Sharlash-Irgendwo (140 km vor Tscheljabinsk), 161 km. Wetter: Bewölkt, Regen, abends schön, 15°. Unterkunft: Motel??, sFr 20.—.

Ich bewegte mich heute immer zwischen 350 und 800 müM, aber auf einer unentwegten Berg-und TalBahn mit akkumulierten 2840 m Aufstiegen und Abfahrten. Der Ural gleicht wirklich dem Jura, allerdings gibt es fast nur Wald. Schöne Bergwiesen mit Pferden und Kühen gibt es nicht. Und die Wälder gewinnen sicher keinen Schönheitspreis, sie sind nicht hoch, die Stämme (vor allem Birken, Föhren und Lerchen) sind dünn und am Boden ist alles überwuchert. Ich fuhr mindestens zwei Stunden durch Regen, das Schwierigste war war heute allerdings das Auffinden einer Unterkunft. Der Tag wurde immer länger und länger und ich machte mich schon mal mit dem Gedanken ans Zelten vertraut. Erst um 20 30, also nach 14,5 Stunden unterwegs gab’s dann doch noch ein einfaches Hotel an einem sehr schönen See. Auch zu essen kriegte ich noch etwas, russische Teigtaschen. 

Ich bin jetzt übrigens ganz offiziell in Asien angekommen, denn etwa 10 km vor meiner Unterkunft, auf einem kleinen Pass überquerte ich die Grenze von Europa zu Asien. 

Do, 14.6.2018, Sharlash. Ufa-M5-Sharlash, 150km. Wetter: Wechselnd bewölkt, Gewitter, 18°. Unterkunft: Motel MakDan, sFr 37.—.

Ab Ufa gab’s kein landwirtschaftlich bebautes Gebiet mehr, nur Wildgras und immer mehr Wald. Nach etwa 100 km begann das Gelände anzusteigen. Nach einem ersten grösseren Anstieg folgte eine einzige Berg-und Talfahrt. Die kumulierten Anstiege von total 1500 HM zeigen: Ich bin im Ural. Ausgerechnet beim steilen Aufstieg mit nochmals verschmälerter Strasse und nur einem Kies/Dreck-Seitenstreifen überholte mich ein Gewitter und setzte alles unter Wasser. Aufgrund der Steilheit wollte ich absteigen, nach zwei Schritten wären allerdings meine Schuhe voll Wasser und Dreck gewesen. Der Seitenstreifen wurde immer weicher und haldete gefährlich stark gegen den sumpfigen SeitenKanal. Ich kam kaum mehr hoch. Irgendwann war der Spuk aber vorbei, der Regen machte wieder etwas Sonne Platz, die Strasse wurde wieder etwas breiter und flacher.

Nach Km 135 kam ich an einem akzeptablen Motel vorbei, ich entschied mich dann aber nochmals 15 km unter die Räder zu nehmen, trotzdem ich keine Ahnung hatte, ob das Hotel gemäss meinem Navi überhaupt existierte und von welcher Qualität es war. Aber ich hatte Glück, ich bin gut aufgehoben. 

Mi, 13.6.2018, Ufa2, Ruhetag. Wetter: Wechselnd bewölkt, 23°. 

Ufa hat eine gute Million Einwohner, ist die Hauptstadt von Baschkirien (Baschkortostan) und ein Zentrum der Erdölindustrie. Ich bin in den letzten Tagen immer wieder an ErdölPumpen im Gelände vorbeigefahren. Bei uns wurde Ufa einst bekannt durch den Zusammenstoss zweier Flugzeuge auf 10‘000 m Höhe über dem Bodensee, als uA 49 Kinder aus Ufa ums Leben kamen. 

Ufa erscheint mir etwas wie der ärmlichere Bruder von Kazan. Es hat nicht dieselbe Eleganz, ich habe nicht einmal ein lohnendes Sujet für ein Foto gesehen. Morgen leiste ich mir erstmals an VeloTagen ein Frühstück, erstens habe ich es schon bezahlt und zweitens beginnt das schon um sechs Uhr. Und dann gehts weiter Richtung Osten durch das UralGebirge, die offizielle Grenze zwischen Europa und Asien, wobei sich die Höhe des GebirgsZuges in etwa mit dem Jura vergleichen lässt, knapp 2000 m. Allerdings ist er 2500 km lang und verläuft ziemlich genau von Norden nach Süden. Meinen nächsten Ruhetag habe ich in Kurgan geplant, nach etwa 850 km. 

Di, 12.6.2018, Ufa. Ab Irgendwo auf der M7 nach Ufa, 218km. Wetter: Leicht bewölkt, 18°. Unterkunft: Hotel Hampton, sFr 67.—.

Ich weiss es, manchmal spinne ich etwas. Aber gewisse Dinge findet man nie heraus — ausser man versucht es. Gestern hielt ich eine Fahrt nach Ufa für unmöglich. Heute morgen versuchte ich es. 216 km gemäss Navi zu einem HollidayInn. Um 4 45 war ich auf dem Sattel und gab den ganzen Tag soviel Druck auf die Pedalen wie ich nur konnte. Ich nahm bewusst auch keine Rücksicht auf Krämpfe. Für einen Kaffee angehalten habe ich einmal am Morgen als es noch kalt war. Danach bin ich komplett durchgefahren. Gegessen habe ich 0.7 l Trinkjogurt,  200 gr Studentenfutter und etwas Schokolade, getrunken 2lt Eistee. 

Ich habs dann geschafft. Allerdings nur dank dem lieben Westwind mit einer Geschwindigkeit von 10 -15 km. Trotzdem, es war eine Fahrt an meiner absoluten LeistungsGrenze. 218 km gemäss meinem Velocomputer, 216 km gemäss meinem Navi (das keine Abweichungen zählt) und 217 gemäss meinem VeloApp. 14 Stunden brutto, 11 45 netto im Sattel ( mein Velocomputer hört auf zu zählen, wenn ich nicht fahre). Ich hatte keine Krämpfe und, angekommen im Hotel war von Müdigkeit schlicht nichts zu spüren. Ich bin sicher, ich wäre nochmals zwei Stunden weitergefahren. Wie das geht ist mir selber ein Rätsel. 

Im Laufe des Tages wurde meine Uhr um zwei Stunden vorgestellt, ich bin nun drei Stunden vor der Schweiz. Und heute habe ich meinen 2000-sten Kilometer durchfahren. 

Mo, 11.6.2018, Irgendwo, 162km. Wetter: Wechselnd bewölkt, 15°. Unterkunft: Hotel Tattele, sFr 37.—

Die Strasse verschmälerte sich auf zwei Spuren fast ohne Seitenstreifen. Ich hängte dauernd an meinem Spiegel, um die Lastwagen hinter mir einschätzen zu können. Das ist sehr anstrengend. Noch anstrengender hatte es die Gruppe mit Squads, die Russland neben der Trasse ‚erfahren‘. Eigentlich wollte ich morgen Ufa erreichen, dafür ist mit ein schönes Motel an der Strasse allerdings 30km zu früh gekommen. Eine nächste Unterkunft wäre nach weiteren 65 km gekommen. Das heute noch zu erreichen war unmöglich. Neben dem Motel gab‘s ein Kaffee und — eine Moschee, und sonst weit und breit kein Haus.

So, 10.6.2018, Irgendwo (ca 40 km vor Yelsbuga), 161 km. Wetter: Wechselnd bewölkt, nachmittags Gewitter, 15°. Unterkunft: Motel Chibis, sFr 20.—.

Das Beste im Voraus: Der Westwind blieb mir erhalten. Ich hatte eine rassige Fahrt durch schöne, weite Landschaften und das auf meist sehr guter Strasse. 30 km hatte ich eine 11m Asphaltpiste für mich alleine, die Strasse war fertig asphaltiert aber noch nicht für den Verkehr freigegeben. Ich bewunderte eine grosse Baustelle mit modernsten Maschinen (fast alle aus Deutschland) und die professionelle Vorgehensweise. Während des Nachmittags wurde ich von mehreren Gewittern gestreift, richtig überfallen hat mich zum Glück keines. Nochmals 40 km bis nach Yelsbuga fahren wollte ich nicht mehr, denn es wäre 8 Uhr geworden und so war ich froh um das einfache Motel an der Strasse. Die Dusche ist zwar im Keller, das Bier muss man im kleinen Lädelchen nebenan kaufen und es ins Kaffee zum Abendessen bringen und auch mein Schlafsack kommt diese Nacht zum Einsatz. Aber eben, ich habe auf meinen Reise nur ausnahmsweise ein IBIS. 

Sa, 9.6.2018, Kazan2, SightSeeing. Wetter: Wechselnd bewölkt, 15°. 

Ich war schon von Moskau‘s erweiterter Innenstadt beeindruckt. Von Kazan bin ich‘s noch mehr. Ich erwartete eine eher heruntergekommene ProvinzStadt und erlebe eine sehr moderne, blitzsaubere Stadt mit imposanten Strassenzügen mit Bürgerhäusern aus Jahrhunderten. Der Kreml (Burg) von Kazan ist zu Recht WeltKulturErbe der Unesco. Da befinden sich in direkter Nachbarschaft eine orthodoxe Kathedrale und die grösste Moschee Russlands (2005 wiederaufgebaut) und Prachtbauten aller Art. Kazan ist die Hauptstadt von Tatarstan. Ein Stan-Staadt, ein Turkstaat also wie Turkmenistan, Usbekistan, Kirgistan, Kasachstan oder Uiguristan (XinyiangUigur in WestChina) wobei weder der Ursprung Turkstaat noch der Tataren eine eindeutige (einfache) Geschichte haben. Aber zumindest soviel: Die Sprache in allen TurkLändern ist mit dem Türkischen verwandt, alle wurden islamisiert und der Ursprung der Tataren stammt wohl aus der OstMongolei. Wobei die Goldene Horde von DschingisKhan resp. seiner Nachkommen zur Verbreitung des VolksStammes beigetragen hat. Kazan hat 1.1 Mio Einwohner, je zur Hälfte christlich orthodox resp. muslimisch. Die Stadt ist auch Austragungsort der Fussball-WM, was man nur schon in meinem Hotel erkennen kann; die Gäste sind wohl mehrheitlich Franzosen, deren Mannschaft in einigen Tagen gegen Australien antritt. 

Fr, 8.6.2018, Kazan. Cheboksary-Kasan, 166km. Wetter: Bewölkt, 15°. Unterkunft: Hotel IBIS, sFr 63.—.

Von 6 bis 6 (wie seit Tagen schon) und heute von IBIS bis IBIS. Nachdem ich heute morgen herausgefunden hatte, dass es auch in Kasan ein IBIS gibt suchte ich es auf meinem Navi und gab es als mein Ziel ein. Allerdings lagen da noch 166 km dazwischen, aber dank dem schon recht zuverlässigen WestWind schaffte ich das in knapp 12 Stunden. Nach fast 850 km brauche ich dringend einen Ruhetag. Ich checkte mich darum für zwei Nächte ein, genoss ein gutes Stroganoff mit angemessenen Getränken und freue mich auf das Morgenbüffet (nicht vor 8 Uhr) und auf den langen Stadtbummel in dieser interessanten und geschichtsträchtigen Stadt. 

Heute habe ich die TodesAnzeige eines meines besten StudienFreundes, mit StudentenNamen ‚Fog’ aus Biel erhalten. Wir waren nicht nur beste VerbindungsKollegen sondern haben vor allem auch besonders viel gesungen, nicht zuletzt auch als Singing Waiters im ‚Mazout‘, einem Restaurant in Biel. Ja eben, das Schicksal meint es mit jedem anders; einmal mehr ein Grund, dankbar dafür zu sein, dass ich ein noch fast abenteuerliches Leben führen kann. 

Do, 7.6.2018, Cheboksary. Irgendwo-Cheboksary, 157 km. Wetter: Wechselnd bewölkt, Gewitter, 15°. Unterkunft: Hotel Ibis, sFr 54.—.

Der Westwind blieb mir treu, die Strasse wurde zeitweise aber miserabel und dadurch mit diesem Verkehr echt gefährlich. Mein Blick befand sich dauernd im Spiegel, damit ich die Lastwagen von hinten immer einschätzen konnte. Aber mittlerweile bin ich darin diesbezüglich ziemlich gut. Die Landschaft wurde wesentlich offener, da hier viel mehr Landwirtschaft betrieben wird. Eine Stunde vor der Stadt durchfuhr ich ein Gewitter und war froh, dass der Regen pünktlich zur Hotelsuche aufhörte. Bei meiner Fragerei für ein Hotel hörte ich ‚IBIS‘. Ich schloff aus meinen dicken, doppelten Handschuhen damit ich IBIS in mein Navi eintippen konnte. Nach 900 m war ich dort — und wurde fast nicht angenommen. Mir fehlten die HotelBestätigungen in Russland. Ich habe gar nicht gewusst, dass ich die brauche. Ich bekam solche Bestätigungen zwar manchmal in den Hotels, habe sie aber nie aufbewahrt. Da ich aufgrund meines Tagebuches aus fast allen Städten den Namen des Hotels benennen konnte wurde ich trotzdem akzeptiert. Auf IBIS fliege ich, immer gut und immer preiswert; allerdings immer alkoholfrei. Schon beim Einchecken sah ich aber die BierZapfhahnen an der Bar und zum Nachtessen erhielt ich zu meiner italienischen Pasta sogar georgischen Rotwein. Nach dem Nachtessen, hoch über der Wolga, wurde die Abendsonne so intensiv, dass ich in eine schattigere Ecke floh, es ergab sich ein traumhafter Abend. 

Mi, 6.6.2018, Irgendwo (etwa 50km vor Vorotynets). Irgendwo-Novgorod-Irgendwo, 152km. Wetter: Wechselnd bewölkt, 15°. Unterkunft: Motel ??, sFr 28.—.

Zumindest war es heute etwas wärmer und trocken, die Landschaft blieb dieselbe. Allerdings wurden die StrassenWellen immer höher, was mich trotz schwachem Rückenwind ziemlich abbremste. Mittlerweile weiss ich, dass es so etwa alle 30 km ein Motel an der Strasse gibt und dies sogar mit einiger Sicherheit. Ich fahre also ziemlich sorglos solange ich mag, ich muss nicht mehr unbedingt eine Stadt oder einen grösseren Ort anpeilen und diesen dann auch erreichen, koste es was es wolle. Seit Novgorod fahre ich parallel zur Wolga, bis jetzt habe ich sie allerdings noch nicht gesehen. Morgen und vor allem übermorgen in Kasan werde ich sie zu Gesicht bekommen. 

Di, 5.6.2018, Irgendwo (ca 50 km vor Novgorod). Vladimir-Irgendwo, 177 km. Wetter: Bedeckt, Regen, 12°. Unterkunft: Motel ??, sFr 30.—.

Heute war ein trister Tag, es war bedeckt und es regnete immer wieder, ausserdem war es mi 12° ziemlich kühl. Das ist allerdings nicht der Grund dafür, dass ich keine Fotos gemacht habe. Unendliche Wälder, Buschland, Heide und Sümpfe geben keine guten Sujets ab. Und auch die raren Kornfelder oder die einfachen Holzhäuser manchmal entlang der Strasse sind alles andere als fotogen. Aber morgen mache ich trotzdem Fotos, denn ich fahre durch orginales Russland, denn Moskau war das ganz bestimmt nicht. Der Westwind war heute fast nicht mehr vorhanden,  trotzdem kam ich wiederum recht weit. Da ich Novgorod unmöglich erreichen würde stieg ich in einem Motel ab, etwas zu essen kriegte ich im daneben liegenden Restaurant. 

Heute habe ich der 1-tausendsten Kilometer durchfahren. 

Mo, 4.6.2018, Vladimir. Moskau-Pokrov-Vladimir, 192 km. Wetter: Schön, milchig, 25°. Unterkunft: Hotel Vladimir, sFr 61.—.

Dass ich heute Vladimir ansteuern wollte war klar, dass ich die recht grosse Stadt aber erreichen würde hatte ich dem konstanten Westwind zu verdanken. Nachdem ich am frühen Morgen mit noch wenig Verkehr der GrossStadt Moskau entflohen war fuhr ich wiederum über weiteste Distanzen durch Wald, Buschland und unkultiviertes Grasland. Erst vor Vladimir gab‘s sporadisch grossflächige KornFelder. 

Schwierig waren mehrere grosse Baustellen. Wenn‘s geht fahre ich auf der halbfertigen und somit abgesperrten Fahrbahn und komme vielfach auch durch. Bei einer grossen Baustelle allerdings stand ich nach zwei Kilometern vor so grossen Erdhaufen, dass ich zurückfahren musste. Schwierig wird dann allerdings die Fahrt auf der auf eine Spur verengten GegenFahrbahn. Ein PV kommt noch knapp an mir vorbei, der erste von hinten kommende Lastwagen hat allerdings keine Chance mehr und ich habe mir längst angewöhnt, einen solchen gar nicht mehr vorbeizulassen. Es gab keine Ausweichstellen und so strampelte ich mit einem Dreissiger voran, mehr kriege ich nicht hin, der erste Lastwagen hinter mir her. Etwa zwei Kilometer. Er hat nicht einmal gehupt, wohl weil er sah, dass ich so ziemlich am Anschlag fuhr. Bei der Auflösung der Baustelle winkte ich und er hupte ‚Good by‘. 

So, 3.6.2018, Moskau3, SightSeeing. Wetter: Wechselnd bewölkt, abends Gewitter, 25°. 

Heute nahm ich‘s gemütlich. Ich schlenderte die drei Kilometer zum Roten Platz, besuchte das angrenzende Staatliche Museum und das ebenfalls angrenzende GUM, das wohl grösste und prunkvollste Warenhaus der Welt, dann den Kreml. Da ich vor vielen Jahren die prächtige U-Bahn besucht habe verzichtete ich darauf, nochmals in den Untergrund zu steigen. Ich schaffte es nicht ganz, noch vor dem Gewitter ins Hotel zu gelangen und wurde gehörig durchnässt. Aber da ich ohnehin nur synthetische Kleidung trage ist schon nach einigen Stunden wieder alles trocken. Und morgen fängt dann wieder der Ernst des Lebens an. 

Sa, 2.6.2018, Moskau2, SightSeeing.  Wetter: Wolkenlos, 25°. 

Moskau ist mit gegen 20 Mio Einwohner eine der grössten Städte der Welt und der grosse Innenbezirk, durchzogen vom MoskauFluss ist sehr imposant und, grossflächig gewaschen mit WasserHochdruck, sehr sauber. Immer in grossen Städten mache ich eine Tour mit einem HopOn-HopOff-Bus um mir einen generellen Überblick über die Stadt zu verschaffen. Abgerundet wurde mein Überblick mit einer BootsFahrt auf dem MoskauFluss. 

Den ganzen Tag über herrschte ein mässiger Westwind und ich wünschte mir, er würde anhalten bis Vladiwostok. Sehr beeindruckend sind die grossen, sauberen und gepflegten Promenaden (da wird geradezu gepützelt). Das sind riesige Parks, überall mit tanzenden PersonenGruppen, SandFussball und VoleyBall, mit Pavillions, Bars und Restaurants (man sollte ganz einfach mehr Hunger haben) und mit 10-tausenden Leuten (heute ist Samstag). Und immer wieder begegne ich ElektroTrottinets. Wie man die in der Schweiz regulieren will ist mir noch ein Rätsel. Kommen tun sie ohnehin, auch im öffentlichen Raum. 

Es war ein eindrücklicher Tag. Morgen werde ich den Kreml-Bezirk erkunden und natürlich die sagenumwobene U-Bahn. Für‘s Bolschoy-Theater fehlt mir wohl die Kleidung. 

Fr, 1.6.2018, Moskau. Twer-Moskau, 180 km. Wetter: Schön, 15°. Unterkunft: Hotel Taganka, sFR 93.—.

Da ich meinen Wecker falsch gestellt hatte fuhr ich nicht um fünf sondern ganz normal um sechs Uhr ab, durch die immergleichen Landschaften und erreichte Moskau um etwa sechs Uhr abends. Beim Kreml angekommen, natürlich dank meinem ‚Here‘-Navi, kurvte ich einige Zeit in der inneren Stadt herum und stieg in einem schmucken, kleinen Hotel, einige km vom Kreml entfernt, ab. Ich werde drei Nächte in Moskau verbringen.

Do, 31.5.2018, Twer, 140km. Wetter: Wechselnd bewölkt, 10-15°. Unterkunft: Hotel Centralnoye, sFr 37.—.

Ich fuhr auf der gleichen Strasse, durch ähnliche Wälder wie gestern. Der Verkehr ist geringer, da scheinbar die in meiner Karte gestrichelt eingezeichnete Autobahn mittlerweile in Betrieb ist. In Twer, einer ProvinzHauptstadt stieg ich nach langem Suchen in einem schmuddeligen Kasten aus der alten SovjetZeit ab. Da ich schon um drei Uhr in der Stadt ankam erkundigte ich zu Fuss die Innenstadt, ohne mich dafür begeistern zu können. Nach einem frühen Imbiss kaufte ich mir einige Snacks und ein Bier und zog mich in mein Zimmer zurück. Morgen werde ich um fünf Uhr starten, ich will nach Moskau. 

Mi, 30.5.2018, Vyshniy Volochek, 183 km. Wetter: Schön, 25°. Unterkunft: Hotel Bereska, sFr 32.—.

Wieder ein langer, eintöniger Tag auf der verkehrsreichen und mittlerweile welligen Schnellstrasse durch Wälder, Wälder, Wälder. Vielfach Sumpf und manchmal ein See, heute allerdings mit einem mässigen Rückenwind, der mir die lange Strecke etwas verkürzte. Heute war zumindest klar, wo ich übernachten könnte, denn Vyshniy Volochek ist eine grössere Stadt an einer Lagune. 

Di, 29.5.2018, Irgendwo. Tosno, Richtung Moskau, Irgendwo, 184 km. Wetter: Schön, 25°. Unterkunft: Hotel ??, sFr 18.—.

Auch heute fuhr ich wieder auf der direkten Strasse Richtung Moskau. Eine andere Strasse ersehe ich in meiner Karte nicht. Eine 3-4-spurige Schnellstrasse mit 10-Tausenden Lastwagen. Mir blieb lediglich der chaussierte Seitenstreifen übrig. Anstrengend zwar aber trotzdem ziemlich schnell. Die Umgebung bestand weiterhin aus Wald und Sumpf, lediglich am Nachmittag gab‘s manchmal ein Kornfeld. Irgendwann zeigte mir mein Navi ein Hotel an, abseits der Strasse. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand in diese verschossene Gegend ein Hotel stellt. Ich kehrte denn auch unverrichteter Dinge auf die Schnellstrasse zurück. Irgendjemand erzählte mir von einem Hotel an der Strasse, 35 km weiter. Langsam wurde ich nervös, denn der Tag wurde lang und die Aussichten auf eine Unterkunft immer düsterer. Aber das Hotel existierte. Heute war ich fast 12 Stunden netto im Sattel, von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr 30 am Abend. Und so war ich nur noch froh um die sehr einfache Unterkunft. In einer Blockhütte nebenan, die an einen WesternSaloon erinnerte erhielt ich etwas zu essen, bevor ich auf meine Pritsche sank. Gemäss meinem VeloApp habe ich heute 7000 Kcal verbraucht. Blödsinn, das könnte ich gar nie zu mir nehmen. Ich werde auch mit einem Drittel davon sehr gut schlafen. 

Mo, 28.5.2018, Wetzikon/St.Petersburg, Tosno. 58 km mit Velo. Wetter: Schön, 20-25°. Unterkunft: Hotel Tosno, sFr 67.—.

Tagwache war um 5 Uhr, mit dem Zug  ging’s nach Kloten, das Velo verpackte ich in eine von Swiss gelieferte Kartonbox und flog dann nach St. Petersburg. Ich landete um 13 30, schon wenig später war ich durch den Zoll und um 14 30 war das Velo fertig montiert. In der Toilette zog ich meine Velomontur an und machte mich auf den Weg nach SüdOsten Richtung Moskau. 

Vor etwa drei Jahren verbrachte ich etwa 3-4 Tage in St Petersburg, ich kannte die eindrucksvolle Stadt und wollte ganz einfach keine Zeit verlieren. Es ist ja noch weit bis Vladiwostok. Ich fuhr auf einer anstrengenden Strasse, meist 4-spurig mit sehr viel Verkehr und entweder gar keinem Seitenstreifen oder dann einer reinen Schotterpiste mit massenhaft Löchern. Links und rechts gab‘s  meistens Sumpf und/oder Birkenwälder. In Tosno fand ich etwas ausserhalb der kleinen Stadt ein schönes Hotel. Es hatte natürlich nur noch ein Zimmer frei, und das war logischerweise eine teure JuniorSuite. Na ja, ich habe früher ja ebenfalls immer versucht, etwas zu optimieren. Es gab sogar ein hoteleigenes Restaurant. Das war doch schon einmal ein guter Anfang der Reise.